Negativzinswirtschaft
Negativzinswirtschaft (NZW) ist ein vom amerikanischen Autor Charles Eisenstein geprägter Begriff für eine Volkswirtschaft, welche auf dem Prinzip negativer Zinsen für Spareinlagen und Kredite beruht.
Anhand eines kleinen Modells[1] beschreibt Charles Eisenstein in seinem Buch Die Ökonomie der Verbundenheit, Wie das Geld die Welt an den Abgrund führte - und sie dennoch jetzt retten kann. (2013) die technische Realisierung des Kreditwesens einer Negativzinswirtschaft. Die Negativzinswirtschaft ist Zins-komplementär zum Kapitalismus in dem die Zinsen überwiegend positiv sind.
Eine tiefere Analyse und Kritik des Zinses offenbart, dass die Wirkung des Zinses die Menschheit wahrscheinlich schon seit Jahrtausenden bewegt und spaltet. Vermutlich haben sich die abrahamitischen Religionen an der Frage des Umgangs mit dem Zins gespalten.
Menge Bibel, Lukas, Kapitel 6:
- Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr (das Geliehene) zurückzuerhalten hofft: welchen (Anspruch auf) Dank habt ihr dann? Auch die Sünder leihen den Sündern, um ebensoviel zurückzuerhalten.
- Nein, liebet eure Feinde, tut Gutes und leihet aus, ohne etwas zurückzuerwarten! Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn er ist gütig (auch) gegen die Undankbaren und Bösen.
- Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist!
Wie an Vers 35 deutlich wird, soll der Zins beim Verleihen zwischen 0% und -100% (Schenken) liegen. Die Ökonomie die daraus entsteht bezeichnet Jesus als das Himmelreich und beschreibt es unter der Benutzung von Bildern und Gleichnissen (siehe z.B. Matthäus Kapitel 13).
Eine Einordnung in die Literatur der Neuzeit, u.a. Karl Marx', Silvio Gesells[20] und Joseph Schumpeters sowie die Berücksichtigung des Niveaus der Leitzinsen in 2015 offenbart, dass es sich bei dem Wort Negativzinswirtschaft um einen Rahmenbegriff handelt unter dem auch die Wirtschafts- und Gesellschaftsformen Sozialismus und Kommunismus zusammengefasst werden müssen.
In 2015 befinden sich die Schweiz, Dänemark
und Schweden in der Wirtschaftsform Negativzinswirtschaft [2].
Ursachen, Entstehung und Verlauf
Geld ist in einer Volkswirtschaft ein universelles Tauschgut. Geld, wie auch andere Kapitalgüter wird in der Wirtschaft gegen Zins verliehen, wodurch sich die private (privare heißt rauben) Geldmenge exponentiell vermehrt. Kapitalleihnehmer sind häufig Unternehmensgründer welche die Mittel des täglichen Bedarfs herstellen. Wenn der Kapitalleihvertrag eingehalten wird, ist ein Unternehmen entstanden, welches der Gesellschaft Mittel zur Bedürfnisstillung herstellt. Ein Teil der Gewinnmarge des Unternehmers in der Phase der Gründung des Unternehmens ist der Gewinn des Leihgeber in Form des Zinses.
Die Grundregeln des Kapitalismus lauten:
- Es existiert eine gesellschaftlich weitgehend anerkannte Verteilung von privaten Kapitalien (Kapital). Die Kapitalgüter sind also einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft (den Kapitalseignern) zuordenbar (Eigentum). Das Eigentum wird geschützt. (siehe Artikel 14 GG)
- Kapital ist gegen Zins (letztendlich wieder Kapital) ver- und ausleihbar. Der von Leihnehmer und Leihgeber verhandelte Zins regelt den Kapitalfluss zwischen der Leihnehmer- und der Leihgeberklasse. Der Zins ist positiv.
- Verträge sind einzuhalten (pacta sunt servanda).
Entstehung und Verlauf (Juli 2015)
Im Zeitraum 1995-2015 sind mehrere der größten Volkswirtschaften des Planeten aufgrund der hohen Staatsverschuldung in die volkswirtschaftliche Situation von Leitzinsen nahe 0 geraten[2]. So sind die Leitzinsen der USA, Japans, Staaten der EU und Israels auf einem historisch niedrigen Stand. Im elektronischen Handel sanken die Renditen kurzfristiger Staatsanleihen Anfang 2015 in den negativen Bereich[3], siehe auch Abschnitt im Wikipedia Artikel über Negativzins für das Auftreten negativer Zinsen. Die Höhe der Staatsverschuldung hat in den führenden Industrienationen beachtliche Ausmaße ausgenommen. So beträgt die Staatsverschuldung gemessen relativ zum Bruttoinlandsprodukt für einige Industriestaaten Mitte 2015: 245% für Japan, 171% für Griechenland, 133% Italien, 125% Portugal, 106% USA, 102% Spanien und 96% Frankreich.
Die Staaten haben jedoch lediglich Einnahmen aus Unternehmensgewinnen und Einkommen, also aus Vermögenszuwächsen, während hingegen eine Vermögenssteuer, also eine Steuer auf akkumuliertes Vermögen in diesen Ländern überwiegend nicht existiert. Eine Erhöhung der Steuerlast wird in 2013 beispielsweise seitens des BDI ablehnend begegnet[4].
Als logische Fortführung der Geldpolitik der Zentral- und Notenbanken der Niedrigzins-Ökonomien entwickelt sich in 2015 eine Wirtschaftsform, bei der der Zins auf Kapital negativ ist[24]. So haben bereits die Schweiz, Dänemark und Schweden in 2015 negative Zinsen auf Einlagen[2].
Die Grundregeln der Negativzinswirtschaft sind (analog zu obiger Definition des Kapitalismus) folgende:
- Es existiert eine gesellschaftlich weitgehend anerkannte Verteilung von privaten Kapitalien (Kapital). Die Kapitalgüter sind also einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft (den Kapitalseignern) zuordenbar (Eigentum). Das Eigentum wird überwacht. (dies steht nicht im Widerspruch zu Artikel 14 GG))
- Kapital ist gegen Zins (letztendlich wieder Kapital) ver- und ausleihbar. Der von Leihnehmer und Leihgeber verhandelte Zins regelt den Kapitalfluss zwischen der Leihnehmer- und der Leihgeberklasse. Der Zins ist negativ.
- Verträge sind einzuhalten (pacta sunt servanda).
Ursachen der Entstehung
Über sämtliche Ursachen der sog. Schere sind sich Ökonomen allerdings immer noch uneins[5]. Die naheliegendste Ursache der Schere ist jedoch der Zins, wenn der Leihnehmer in der im Mittel unvermögender ist als der Leihgeber[15].
Der Ökonom Thomas Piketty beschreibt in seinem 2013 erschienenen Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert den Hauptmechanismus des Kapitalismus mit der Formel $$ r>g, $$ dass also die Rendite $r$ das Wachstum der Volkswirtschaft $g$ übersteigt.
Auswirkungen des Zins-Vorzeichenwechsels
Vom Standpunkt der Naturwissenschaften aus betrachtet, ist die Negativzinswirtschaft eine natürliche Wirtschaftsform, welche die Menschen in der Vergangenheit immer wieder vereinbarten. Natürliche (physikalische) Tauschgüter (z.B. Salz, Edelmetalle, Saatgut) haben aufgrund der Energie- und Massenerhaltung und der Thermodynamik (Entropieänderung ist stets größer oder gleich null, es gibt keine abgeschlossenen Systeme) einen negativen Zins oder höchstens einen Zins von 0 (z.B. Gold).
Geschichtlich dokumentiert sind Experimente mit negativ verzinsten Regionalwährungen welche einen spektakulären Verlauf nahmen. Zu nennen sind hier unter anderem das sogenannte „Wunder von Wörgl“. Ideengebend war im Wörgler Experiment das Prinzip des umlaufgesicherten Geldes der Freiwirtschaftstheorie Silvio Gesells. Seit dem Beginn der Phase historisch niedriger Leitzinsen in den USA 2009 wurde in der Fachwelt sehr konkret über die Auswirkungen und Form einer Negativzinswirtschaft diskutiert[6]. Einige Institutionen begreifen die negativen Zinsen in 2015 bereits als neue Realität[17][18][19].
Maßnahmen an der Null-Zins-Grenze
Die Negativzinswirtschaft[1] ist Zins-komplementär zum Kapitalismus. Eine postkapitalistische Negativzinswirtschaft kann nicht ohne spezielle Reformen des Bankensystems durchgeführt werden, weil das Absenken des Einlagezinsen in den negativen Bereich zu einer Kreditklemme führen würde. Die im schlimmsten Fall daraus resultierende Liquiditätsfalle (Paul Krugman) [7] ist durch die Installation einer Umlaufsicherung beherrschbar, siehe auch Abschnitt über Übergangsphänomene. Die Umlaufsicherung wird benötigt, um die Liquidität des Bankennetzes und eine Kontinuität der Versorgung der Wirtschaft mit Krediten sicher zu stellen.
Da Bargeldhaltung bei negativen Zinsen eine unmittelbare Abzinsung der Vermögen verhindert (Bargeld hat einen Zins von 0), wird teils heftig[8] über ein Bargeldverbot diskutiert[9][10][22][23]. Begründet werden könnte ein solches Verbot allerdings auch mit dem Hinweis auf die praktizierte Geldwäsche. Als Lösung zur Erhaltung des Bargelds wird eine Bargeldsteuer in die Diskussion eingebracht [11][12].
Zur Sicherstellung der Banken-Liquidität dient die quantitative Lockerung, bei der die Bilanz der Zentralbank z.B. durch den Aufkauf von Staatsanleihen verlängert wird, siehe Abschnitt über die Liquiditätsfalle. Unmittelbare Auswirkung des Programms ist ein Absinken des Zinsniveaus.
Grundrechte
Der Zins greift in das Gleichgewicht der fundamentalen Rechtsgüter zwischen der Würde nach Art. 1 GG und der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Privatautonomie nach Art. 2 GG) und dem Kontrahierungsrecht bzw. -pflicht (§241 BGB, pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten) ein. Die Beziehung zwischen diesen Grundrechten ist analog zu der der philosophischen Begriffe der Autonomie und Heteronomie. Die Beeinflussung des Gleichgewichts dieser Rechtsgüter geschieht durch Einschränkung, also Zwang.
Liegen bei einer Bank Sparguthaben ein, so führt eine Anhebung des Leitzinses auf einen positiven Wert zu einem Vertragsabschlusszwang (ähnlich wie ein Kontrahierungszwang) bei den angeschlossenen Geschäftsbanken. Da Privatautonomie und Kontrahierungsrecht bzw. -pflicht komplementäre Rechtsgüter sind, ist ein Vertragsabschlusszwang (ähnlich einem Kontrahierungszwang) gleichbedeutend mit einer Einschränkung der Privatautonomie der Geschäftsbank. Diese Autonomieeinschränkung äußert sich darin, dass die Geschäftsbank höhere Kreditzinsen aus ihren Kreditverträgen erwirtschaften muss, sofern sie die Sparzinsen bedienen will. Eine Verweigerung dies zu tun führt jedoch zu einem Entzug der Einlagen und damit zu einem Wegbrechen der Existenzgrundlage der Bank. Eine Anhebung der Leitzinsen führt also über die Autonomieeinschränkung indirekt zu einer Anhebung der Kreditzinsen und somit ebenfalls zu einem Eingriff in die Privatautonomie der der Bank zugeordneten Kreditnehmer.
Die Kreditnehmer sind häufig Unternehmensgründer, jedoch werden Kredite auch für die Unternehmensrestrukturierung
aufgenommen. Die folgende Grafik zeigt schematisch, wie durch die Autonomieeinschränkung des Unternehmers der Zins
aus dem Kreislauf der Wirtschaft gezogen wird.
Banken erwirtschaften ihre Gewinne aus der Differenz zwischen Kreditzinsen und Sparzinsen, wodurch bei einer Absenkung des Leitzinses auf 0 die Gewinnmarge der Banken vollständig verschwindet. Aus diesem Grund müssen die Banken in der Niedrigzinsphase mit Maßnahmen der Zentralbank gestützt werden (Vergleich zum Begriff der quantitative Lockerung).
Während bei einer Geldpolitik mit positiven Zinsen die Autonomie der Kreditnehmer gegenüber der Autonomie der Sparer eingeschränkt ist, verhält es sich in einer Negativzinswirtschaft genau umgekehrt: Die Autonomie des Sparers ist eingeschränkt und die Autonomie des Kreditnehmers überwiegt. In der Wahrung seiner Privatautonomie kann der Sparer in einer Negativzinswirtschaft versuchen, einen Kreditnehmer zu finden, der einen höheren Zins zahlt, als der Einlagezins der Bank beträgt. Somit kann er zumindest versuchen, seine Erspartes zu erhalten. Alternativen zu festverzinslichen Anlagen sind demnach variable verzinsliche Geldanlagen wie Unternehmensbeteiligungen in Form von Aktien. Die Wirkung von negativ verzinstem Geld auf die Vermögensverteilung ist eine Umverteilung von angesparten Kapitalien hin zu Kreditnehmern (häufig Unternehmensgründer (sog. „Start-Ups“).
Zeitentwicklung von Vermögen
Zu den am einfachsten nachvollziehbaren Veränderungen in einer Negativzinswirtschaft gehört die Entwicklung von Vermögen. Die im Hauptartikel hergeleiteten Modellergebnisse zeigen, dass
- positiver Zins exponenzielles Vermögenswachstum verursacht
- ein Zins von 0% lineares Vermögenswachstum und
- negativer Zins beschränktes Vermögenswachstum


Eine Zeitentwicklung mit einem Anfangsvermögen von 0 nähert sich dem Sättigungsvermögen $a_\textrm{sat}$ von unten, während ein Anfangsvermögen oberhalb des Sättigungsvermögens sich diesem exponentiell zerfallend von oben nähert. Der Sättigungswert $a_\textrm{sat}$ ist proportional zum NETTO-Jahresgewinn $y$ weswegen ein Vermögen ohne Einkommen auf 0 zerfällt.
Der „Berufsstand“ des Rentiers oder auch Privatiers wird also systemisch unmöglich ohne Aufzehr der aufgebauten Kapitalien. Die Zeitentwicklung spiegelt also genau die von Piketty geforderte progressive Einkommenssteuer. Außerdem fügt sich die Vermögensentwicklung auf natürliche Art und Weise in einen beschränkten Lebensraum ein.
Einfluss auf das Sozial-Verhalten
Nach eingehender Analyse wird die Umpolung des Zins-Vorzeichens eine Inversion
belohnter und bestrafter sozialer Verhaltens-Weisen und Werte im Umgang mit Geld bewirken.
Dies ist vermutlich die Bedeutung des Verses Matthäus 20:16
- Ebenso werden die Letzten Erste und die Ersten Letzte sein. [Denn viele sind berufen, aber wenige auserwählt.]
Referenzen / Einzelnachweise
- [1] http://sacred-economics.com/kapitel-12-eine-negativzinswirtschaft
- [2] http://www.tradingeconomics.com
- [3] http://www.welt.de/finanzen/article137407308/Das-sind-die-bitteren-Wahrheiten-des-Zins-Desasters.html
- [4] http://bdi.eu/media/themenfelder/steuerpolitik/publikationen/201511_Studie_Steuerbelastung.pdf
- [5] http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/oekonomie/nachrichten/oekonomie-das-problem-der-schere-zwischen-arm-und-reich-seite-3/3820264-3.html
- [6] http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/oekonomie/nachrichten/geldpolitik-und-finanzkrise-negative-leitzinsen-das-undenkbare-denken-seite-3/3179150-3.html
- [7] http://www.brookings.edu/~/media/projects/bpea/1998%202/1998b_bpea_krugman_dominquez_rogoff.pdf
- [8] http://www.misesde.org/?p=10419
- [9] http://www.rnz.de/wirtschaft/wirtschaft-regional_artikel,-Bargeldverbot-in-Deutschland-_arid,98814.html
- [10] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/07/11/degenhart-bargeld-verbot-verstoesst-gegen-die-verfassung/
- [11] http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geld-anlegen/zahlungsmittel-was-kostet-das-geld-12598556.html
- [12] https://anlageradar.de/2015/04/19/kommt-die-bargeld-steuer/
- [13] http://scienceblogs.de/plazeboalarm/files/2013/03/Verteilung-des-Privatverm%C3%B6gens2.png
- [14] http://www.keine-macht-den-doofen.de/1104/geld-macht-reich-der-irrsinn-der-okonomie-i
- [15] http://www.soziologie.uni-halle.de/publikationen/pdf/0405.pdf
- [16] https://www.freitag.de/autoren/pregetterotmar/geldsystem-ist-die-ursache-der-ungleichheit
- [17] https://www.nordlb.de/fileadmin/redaktion/analysen_prognosen/financials/specials/2015/20150603_NeueWeltNegativzinsen.pdf
- [18] http://www.voeb.de/download/negative-zinsen
- [19] https://finanzkun.de/artikel/negative-zinsen-immer-haeufiger/
- [20] http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/gesell/nwo/nwo.pdf
- [21] http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-01/reichtum-armut-fs
- [22] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bargeld-zahlung-bundesregierung-erwaegt-5000-euro-obergrenze-a-1075338.html
- [23] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/hans-werner-sinn-wie-sich-der-einzug-des-500-euro-scheins-rechnet-14054372-p2.html
- [24] https://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/DocBase_Content/ZS/ZS-ifo_Schnelldienst/zs-sd-2015/zs-sd-2015-02/ifosd_2015_02_2.pdf