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6. Dezember 2018

Das Tierchen Ammit: ein Versuch, die französischen Verhältnisse zu erklären

Die alten Ägypter kennen das Fabelwesen Ammit (Bild), die ein ständiger Begleiter von Osiris, dem Gott der Kultur ist. Osiris muss Ammit unter Kontrolle halten, damit seine Herrschaft stabil und aufrecht erhalten bleiben kann.

Ammit ist die blinde Wut, der Amok. Goethe nannte Ammit den Pudel. Seine Beschreibung findet sich im Faust I.

Ammit spielt eine wesentliche Rolle im Totengericht, der Überführung der Seele des Pharaos in das Jenseits. In der 12. Stufe des Totenrituals wird das Herz des Pharaos von Anubis gegen die Feder des Schu gewogen (Bild). Ist es leicht, steigt die Seele des Pharaos in den Himmel auf. Ist es zu schwer, wird das Herz an den Pharao verfüttert und der Pharao kommt in die Hölle, die Verdammnis.

Die 12. Stufe des altägyptischen Totengerichts.

Anmerkung: Man vergleiche das auch mit den Geschehnissen im Buch der Richter des jüdischen Narrativs, dem Begriff des Jüngsten Gerichts und dem Tier mit der Zahl 666.

Ich gebe hier eine kurze Interpretation dieses Rituals, um einen Bezug zu den Ereignissen in Frankreich herzustellen. Die alten Ägypter nutzten den Zins, also die Steuer des Königs zur Etablierung ihrer Herrschaft. Wir wissen heute alle, dass der Kapitalismus[+], also das Zinsnehmen, zur Aufhäufung großer Reichtümer einerseits und zu sozialen Divergenzen und Spaltungen, zu Rissen im Sozialgefüge, zur Ungleichheit, zu Gegensätzen und zur Fraktionierung (Stichworte Arbeitsteilung und funktionale Differenzierung) und insgesamt zur Verarmung großer Bevölkerungsteile andererseits führt.

Synergie und Dysergie

Der positive Zins bewirkt, dass sich das Kapital von der Synergie der Menschen, also der Frucht ihrer Zusammenkunft ernährt. Das hört sich etwas abstrakt an und muss genauer erklärt werden.

Wirkung des positiven Zinses: Vertragsabschlusszwänge und Einschränkungen der Handlungsfreiheit

Der Zins erzeugt Zwänge[+], Verträge abzuschließen (vgl. zum Begriff der sogenannten Kontrahierungszwänge[+]). Das sind Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit, der Privatautonomie[+], die aus der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 GG abgeleitet ist. Die Kontrahierungen (lateinisch contrahere, „zusammenziehen, übereinkommen“) bewirken, dass Menschen einander ausgesetzt und zur Zusammenarbeit gezwungen sind. Es ist eine zentrale Funktion von Geldpolitik[+], Kontrahierungszwänge[+] zu erzeugen.

Die Früchte der Synergie der so Zusammengezurrten und einander Ausgesetzten, ihre Arbeitserzeugnisse[+], der Nutzen[+] der Zusammenkunft werden als Zins abgeschöpft und lassen das Kapital wachsen[+]. Der Zins ist das Kind, die Frucht des Geldes mit denjenigen, die es aus ihrer Synergie gebären.

Ein Teil oder das Ganze dieser Frucht wird den Menschen jedoch geraubt, weil er der Sphäre ihrer Zusammenkunft entrissen wird. Das Produkt der Arbeit[+] gehört dem Eigentümer[+] des Unternehmens, in dem es erschaffen wurde und nicht den anteilslosen Arbeitenden[+], und hinter dem Unternehmer sitzt in der Regel der Zinsnehmer, der Sparer, der Parasit, der einen Teil des Gewinns der Unternehmung abschöpft. So wird den Arbeitenden[+] ein Teil ihre Schöpfung geraubt und das macht sie mit der Zeit[+] wütend. Das war im alten Ägypten schon so und das ist heute nicht anders.

Ist das nicht auch der Grund dafür, dass Hühner in Legebatterien aufeinander rumhacken? ...denn die Menschen klauen ihnen ja die ganze Zeit[+] die Eier.

Gegenwartsbezug

Am Ende der Herrschaft des Pharaos kommt das Volk und schaut, wie viel Reichtum der Pharao akkumuliert[+] hat. Es war schon immer klar, dass der König nicht mehr Zins zur Verwaltung seines Herrschaftsapparates nehmen durfte, als er brauchte, um so zu leben wie seine Untertanen. Hatte er mehr, war das Herz also zu schwer, dann entbrannte über ihm der Volkszorn und Ammit fraß das Herz angesichts des obszönen Reichtums (Bild).

Eine Karikatur der Eigentumsverhältnisse[+] unter der zinsbasierten Herrschaft des Kapitals im Kapitalismus[+].

Die Gelbwesten in Frankreich haben keinen Anführer. Es ist eine Bewegung, die sich nicht mehr zugehörig und repräsentiert fühlt, hieß es gestern in den Nachrichten. Es sind Menschen, die aus der Gemeinschaft abgetrennt, abgerissen sind. Es sind Abgehängte, Ausgeklinkte, wütende und frustrierte Menschen. Ammit ist wütend.

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Tim Deutschmann

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