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6. November 2019

Die Erwartung des Kleinverdieners

Ich beantworte folgende Anfrage.

Nun interessiert mich noch eine Antwort auf meine Frage aus dem letzten Absatz meiner Mail vom 18.10., was nämlich der Kleinverdiener XY unter der Herrschaft des Negativzinses für eine Rente zu erwarten hat.

Lieber XY,

die Löhne haben aufgrund der negativen Korrelation zwischen ihrer Höhe und dem Zinsniveau[+] (Arbeitskosten[+] vs. Fremdkapitalkosten und Gewinne in den Unternehmensbilanzen) infolge einer Negativzins-Ökonomie[+] die Tendenz zu steigen. Ich habe diesen Mechanismus schon an anderer Stelle genauer erklärt und würde mich nur wiederholen, wenn ich ihn hier erneut in allen Detail ausbreitete. Ich fasse mich daher kurz.

Warum Löhne infolge negativer Geldzinsen steigen müssen

Beginn der Bezahlwand

Man kann sich diesen Mechanismus in etwa so vorstellen: Die Nachfrage nach Arbeitskraft[+] seitens der Unternehmen nimmt zu, weil es infolge der Belohnung von Krediten vor dem Hintergrund der Notwendigkeit[+], die Wertaufbewahrungsfunktion volkswirtschaftlich ersetzen zu müssen, mehr Unternehmensgründungen geben wird. Sofern dabei unternehmerseitig Arbeitskraft[+] hinzugekauft wird, steigt die Nachfrage und jetzt auch infolge des Wegfallens der Sanktionen im Hartz-IV System der Preis der Arbeit[+], denn man kann sich als Lohnabhängiger der Wiedereingliederung (EGV) entziehen, wird nicht zum Angebot der Arbeitskraft[+] genötigt (siehe Eintrag vom 25.02.2019). Insofern waren die Hartz-IV Reformen also nicht beidseitig des Marktes neo-liberal[+], sondern haben den Arbeitsmarkt[+] unter den Zwang[+] der materiellen Verhältnisse gesetzt. Effektiv hat das Repressionssystem in den JobCentern einen Kontrahierungszwang[+] (obligatio ex lege) bewirkt, den das Grundgesetz nach Artikel 2 Abs. 1 (Grundsatz der Vertragsabschlussfreiheit als Teil der Privatautonomie[+]) ausdrücklich ausschließt. Legal waren diese Bestimmungen also nicht. Man hat sie als eine legale Art obligatio ex inopia getarnt, indem man die JobCenter legitimierte, Not in Form von Sanktionen zu erzeugen mit dem Ziel, Unwillige in ungewollte Verträge hinein zu knechten. Das nennt man Nötigung per Gesetz (obligatio ex lege, Kontrahierungszwang[+]), und das ist grundgesetzlich illegal. Verhungern wird man im Grundzustand nach dem 5. November 2019 nicht mehr, Angst[+] muss man auch nicht mehr haben, aber von Freude kann auch keine Rede sein. Ich denke, dass das Urteil[+] ein fairer Kompromiss ist und den Rechts[+]- und Sozialstaat rettet.

Das Ergebnis ist also, dass verstärkt Arbeitskraft[+] (nach) gefragt wird, entsprechend knapp und daher teurer wird. Das ist der eine Mechanismus. Es gibt aber noch einen zweiten, der bereits gebundene Arbeitskraft[+] betrifft.

Monopolistische und vollkommene Konkurrenz und Kooperation infolge negativer Geldzinsen

In jedem Unternehmen gibt es Fachkräfte, ohne deren Wissen und Fähigkeiten das Unternehmen nicht funktionsfähig wäre. Diese Leute sind hinsichtlich ihrer Funktion im Gesamtapparat unersetzlich, müssen also im Unternehmen gehalten werden, wenn es weiter funktionieren soll, koste es, was es wolle (ähnlich wie whatever it takes).

Im Makroökonomischen entsteht infolge der Negativzins-Ökonomie[+] für die Unternehmen eine im Kapitalismus[+] nicht existierende Form der Konkurrenz, die in der Literatur als 'total' oder 'vollkommen' qualifiziert wird. Joseph Schumpeter[+] hat diese Art der Konkurrenz in 'Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie[+]' beschrieben. Sie hängt mit dem Sauerteigbegriff des Neuen Testaments zusammen. Die kapitalistische Konkurrenz ist hingegen monopolistisch, die Großen bestimmen über den Marktzugang der Kleinen.

Monopolistische vs. vollkommene Konkurrenz, die sich nicht mehr klar von Kooperation trennen lässt, weil erfolgreiche Unternehmungen über Kredite mit negativem Zins die Konkurrenz hochzüchten.

Wenn allen Eigentümern[+] also die gleiche Handlungsfreiheit[+] eingeräumt wird und ein und dasselbe Gesetz sie alle gleichermaßen schützt, dann muss es in dem wirtschaftlichen Umfeld, in dem man den verschiedenen Arten von Eigentum[+] ihren Platz gegeben hat, ganz zwangsläufig dazu kommen, dass sie in einen Wettbewerb miteinander treten und danach streben, sich gegenseitig zu schlucken. Und das findet ja in der Tat auch statt, und man kann es überall beobachten, wo Eigentum[+] benachbart ist bzw. im Wettbewerb gegeneinaner bewirtschaft wird, sowohl in der Landwirtschaft, als auch im Gewerbe. Ist der Kampf erst einmal ausgebrochen, wie wird er enden? Das ist leicht, vorherzusehen.

Wenn der Schutz des Staates im Hinblick auf die Eigentümer[+] unzureichend ist, oder aber es ihn gar nicht gibt; wenn es eine Günstlingswirtschaft gibt [Bestechung, Nepotismus, etc,], oder wenn es nach Personen bzw. gesellschaftlichen Schichten geht, wenn die Bedingungen, unter denen gewirtschaftet wird, ungleich sind, dann werden die großen Eigentümer[+] die kleinen schlucken, die starken Unternehmer die schwachern ruinieren und die Privilegierten die Nicht-Privilegierten auslöschen: das ist das Schicksal des plebejischen Besitzes[+] angesichts des patrizischen Eigentums[+] in Rom gewesen; das ist später im römischen Kaiserreich das Ergebnis des Kampfes zwischen den von Sklaven bewirtschafteten Großbetrieben der Adligen und dem von Freien bearbeiteten kleinen landwirtschaftlichen Eigentum[+] gewesen; das ist im Mittelalter[+] das Schicksal der kleinen Freigüter (petits alleux) gewesen, die, unter dem Druck der Grafen, Bischöfe usw., gezwungen wurden, sich in widerrufbare Pfründen und Lehen umzuwandeln; und das ist schließlich, wie wir heute sehen, auch das Unglück der kleinen Gewerbetreibenden, die von der Konkurrenz der großen Kapitale ausgelöscht werden.
Quelle: Pierre-Joseph Proudhon[+], Theorie des Eigentums[+], 1841.

In diesem Umfeld vollkommener Konkurrenz, die sich, wie am 13.11.2018 begründet, nicht mehr klar von Kooperation trennen kann, muss der Unternehmer im Wettbewerb versuchen, die Preise möglichst niedrig zu halten, wenn er konkurrieren will. Dies tut er schon alleine deshalb, weil die sonst sich in Gewinne wandelnden Einnahmen auf Bankkonten[+] akkumulieren und dann über Kredite mit negativem Zins in die Hochzüchtigung der Konkurrenz fließen würden. In diesem Wettbewerb versucht der Unternehmer, ganz wie im Kapitalismus[+], doch aufgrund des Umfelds nun verstärkt, die Arbeitskosten[+] niedrig zu halten. Andererseits können Arbeitskräfte[+] in diesem Umfeld von Konkurrenten abgeworben werden oder auf die Idee kommen, sich mit einem Negativzinskredit selbstständig zu machen.

Die Bedeutung der Arbeit[+] steigt jedenfalls relativ zum Kapitalismus[+] und somit der Wert der Arbeit[+], denn die Unternehmen werden die wertvollen und für den Unternehmensprozess essentiellen Arbeitskräfte[+] zu binden versuchen.

NETTO Umverteilungserwartung infolge negativer Geldzinsen

Im Gegensatz dazu wird das Kapital in all seinen Formen abgewertet. Ich erwarte insgesamt und kann das auch schemenhaft berechnen, dass es aufgrund der Umpolung des Zinsflusses[+] zu einer Umverteilung von großen Vermögen hin zu kleinen Vermögen kommt, ohne dass der Staat dort irgendwie mitwirkt. Ich habe schon vor längerer Zeit[+] ein youtube Video basierend auf den Arbeiten[+] des Dipl. Volkswirts Helmut Creutz gefunden, in dem die Vermögensverteilung in zehn Schichten ("Dezilen" im folgenden Video) eingeteilt wird und der NETTO Zinsfluss[+] bei positivem Zins dargestellt ist.

Umverteilungswirkung des positiven Zinses.

Deine Frage ist also dadurch rein visuell durch Anschauen des Videos beantwortbar, dass man den betrachteten Lohnabhängigen in einer der 10 Schichten verortet und feststellt, ob er Angehöriger der Gruppe der NETTO Zinsgeber oder der NETTO Zinsnehmer ist.

Die Gruppen der NETTO Zinsgeber und NETTO Zinsnehmer in der Einkommens und Vermögensverteilung.
Diese zwei Gruppen sind übrigens die zwei Klassen der Marx[+]'schen Theorie, also ein mathematisch und wirtschaftswissenschaftlich exakt messbares Phänomen und Faktum.

Diese ganzen Mechanismen und den Zinsfluss[+] im Detail zu verstehen, ist eine Heidenarbeit, wie Du Dir vorstellen kannst. Da ist kein Platz für Glauben.

Viele Grüße,

Ende der Bezahlwand

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Querverweise auf 'Die Erwartung des Kleinverdieners'

Tim Deutschmann

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