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22. April 2022

Nachträge aus Mammonexitus

Einige implizite Aussagen von William N. Goetzmann zum Zusammenhang zwischen Religion und Ökonomie

Seit einigen Wochen fresse ich mich durch das Buch 'Money Changes Everything[+]' (2016). Das Buch blickt auf den Zivilisationsprozess durch die Brille des Geldes und stellt implizit die These auf, dass die zeitweilige Überlassung von Geld gegen Zinsen, also die Geldwirtschaft, die Zivilisation möglich gemacht hat. So jedenfalls lautet der Untertitel des Buches.

Ich zitiere hier drei aus meiner Sicht interessante Seiten aus dem Buch, die einen direkten Bezug haben zu wohlbekannten Gegenständen des Alten und Neuen Testaments: es geht um den Sündenfall[+] und um das, was im Neuen Testament als 'Geldwechsler[+]' im Tempel Salomons bezeichnet wird, vgl. 1. Buch Könige, Kapitel 8 (AT) und die berühmte Stelle im Neuen Testament, in der Jesus[+] die Tische der Geldwechsler[+] im Haus seines Vaters umwirft und die Geldwechsler[+] vertreibt, Matthäus 21,12ff, Markus 11,15ff, Lukas 19,45ff und Johannes 2,13–22.

Beginn der Bezahlwand

Erinnerung an den Sündenfall und die Vertreibung aus dem Garten Eden

    Der Sündenfall[+] des Menschen (Vgl. Mt 4,1-11; 2Kor 11,3; 1Tim 2,14)
  1. Und die Schlange war listiger denn alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von den Früchten der Bäume im Garten?
  2. Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;
  3. aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esst nicht davon, rührt's auch nicht an, dass ihr nicht sterbt.
  4. Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben;
  5. sondern Gott weiß, dass, welches Tages ihr davon esst, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
  6. Und das Weib schaute an, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er lieblich anzusehen und ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte; und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß.
Peter Wenzel, Karlsbad 1745 - Rom 1829: „Adam and Eva im Garten Eden“, Öl auf Leinwand, 336 x 247 cm. Man sieht hier die Textstelle Genesis 3 dargestellt durch einen Künstler. Da steht der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, um den sich die Schlange wickelt, die Eva verführt, die verbotene Frucht zu kosten. Links ist wahrscheinlich der Baum des Lebens dargestellt, der zweite Baum, der im Zentrum des Garten Eden steht.
    Die Folgen des Sündenfalls[+] (Vgl. Jak 1,13-15; Röm 5,12-21)
  1. Da wurden ihrer beiden Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schürze.
  2. Und sie hörten die Stimme Gottes des HERRN, der im Garten ging, da der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter die Bäume im Garten.
  3. Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?
  4. Und er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.
  5. Und er sprach: Wer hat dir's gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?
  6. Da sprach Adam: Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von von dem Baum, und ich aß.
  7. Da sprach Gott der HERR zum Weibe: Warum hast du das getan ? Das Weib sprach: Die Schlange betrog mich also, dass ich aß.
  8. Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du solches getan hast, seist du verflucht vor allem Vieh und vor allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du gehen und Erde essen dein Leben lang.
  9. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.
  10. Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlansoll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein.
  11. Und zu Adam sprach er: Dieweil du hast gehorcht der Stimme deines Weibes und hast gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen, verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang.
  12. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Felde essen.
  13. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.
  14. Und Adam hieß sein Weib Eva, darum dass sie eine Mutter ist aller Lebendigen.
  15. Und Gott der HERR machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen und kleidete sie.
  16. Und Gott der HERR sprach: Siehe, Adam ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!
  17. Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er das Feld baute, davon er genommen ist,
  18. und trieb Adam aus und lagerte vor den Garten Eden die Cherubim[+] mit dem bloßen, hauenden Schwert, zu bewahren den Weg zu dem Baum des Lebens.
Die Vertreibung aus dem Garten Eden[+] in Genesis 3 als Folge des Sündenfalls[+].

Auf der ersten herauskopierten Seite schreibt Goetzmann[+]:

"The invention of interest, in the very shadow of gates of Eden—may have been humankind's original fall from grace."

Unmittelbar im Anschluss an das Zitat betont Goetzmann[+], dass der Schluss der ersten Verträge, deren Einhaltung und Dokumentation des Aufwandes und der Einschätzungen eine Abkehr vom ursprünglich kommunalen Leben darstellte. Unzweifelhaft hätten diese ersten Folgen des Zinsnehmens die Entstehung der ersten Städte und politischen Einheiten erst ermöglicht.

Wie auf der zweiten herauskopierten Seite deutlich wird — und das passt genau zu der Prophezeiung der Schlange, der Genuss der Frucht stelle den Menschen nahe an die Stelle Gottes — zeigen die Homonyme[+] altertümlicher Kulturen für das Wort 'Zins', dass der Zivilisationsmensch mit der Anwendung des Zinses im Gelde einen zur Schöpfung analogen Mechanismus realisiert. Denn durch den Zins wächst[+] das geltende Tote[+] (Geld, Eigentum[+], Kapital), obwohl es tot ist.

Zweite, aus 'Money Changes Everything[+]' herauskopierte Seite: Homonyme[+] altertümlicher Kulturen für das jeweilige Wort für Zins. Man erkennt, dass der Mensch mit dem Zinsmechanismus eine Anleihe am Schöpfungsmechanismus macht. Er schlüpft in die Rolle des Schöpfers und lässt das Geld wachsen[+], als sei es etwas Lebendiges.

In seinem Buch zeichnet der Finanzhistoriker nach, wie sich die ersten primitiven Leihverträge mit der Zeit[+] in die Formen und Institutionen ausdifferenzierten, die wir heute mit Banken[+] und der Finanzwirtschaft assoziieren, darunter auch das Miet- und Pacht-Geschäft, sowie der Handel mit Lizenzen und Konzessionen, im Allgemeinen der Handel mit Verfügungsrechten[+] an Sachen, deren Preise 'Zinsen' heißen.

Schon im altertümlichen Mesopotamien, später im antiken Griechenland und ebenfalls in Rom entwickelten sich Intermediäre, vermittelnde Institutionen der Finanz- und Leihwirtschaft, die wir heute als 'Banker[+]', 'Finanz-' und 'Vermögensverwalter' bezeichnen.

Erste herauskopierte Seite (41) in William N. Goetzmann[+] 'Money Changes Everything[+]' (2016). Das betreffende Zitat lautet "The invention of interest, in the very shadow of gates of Eden—may have been humankind's original fall from grace."

Das deutsche BGB spricht in §§ 99, 100 und 101 im Zusammenhang mit Zinsen von Früchten, also auch von etwas Lebendigem in Bezug auf den Handel mit Verfügungsrechten[+] an Sachen.

Die Schöpfung verwandelt sich in Geld

An keinem anderen Bild, das mir in den letzten sieben Jahren begegnet ist, wird deutlicher, dass der Kapitalismus[+], also das Zinsnehmen, direkt die Schöpfung ausbeutet. Wir sparen uns die Umwelt einfach weg.

Alles bisher entstandene Geld repräsentiert die in der Vergangenheit abgeleistete Arbeit[+] zu Tilgung von Schuldzinsen. Es wird die Stoffwechselleistung[+] des Lebendigen in Geld umgewandelt, wenn Menschen arbeiten, um Schuldzinsen zu tilgen. Der so arbeitende Mensch beutet die Schöpfung aus, sodass sich das Stoffwechselprodukt[+] in Geld umwandelt.

Auf diese Weise werden aus der Umwelt Möglichkeiten[+] entnommen und in Form von Geld denjenigen hingegeben, die die positiven Zinsen beziehen - allen voran alle Sparer! Das Geld wächst[+], die Umwelt verarmt.

Verwandlung der Schöpfung in Geld. Diese Verwandlung muss infolge positiver Zinsen so stattfinden, denn das, was dem geltenden Toten[+] hinzuwächst[+], wird insgesamt dem (realwirtschaftlichen) Stoffwechsel[+] in allen seinen Formen entnommen.

Das Wort 'Geldwechsler' wird fast synonym zum Wort 'Banker' verwendet

Auf der dritten herauskopierten Seite des Buches ist zu erkennen, dass einige hundert Jahre nach Christus[+] die Worte 'Banker[+]' und 'Geldwechsler[+]' fast synonym verwendet werden. Das lässt den impliziten Schluss zu, dass es sich beim Tempel Salomos in Wahrheit um eine Bank[+] handelte, aus der Christus[+] in der berühmten Textstelle Matthäus 21,12ff, Markus 11,15ff, Lukas 19,45ff und Johannes 2,13–22 die Geldwechsler[+], also die Banker[+] vertrieb. Christus[+] wandte sich also gegen den Zinsmechanismus (das Sparen und die Vergabe von Krediten bei positivem Zins, der Kapitalismus[+]) und zettelte eine Revolution gegen die Betreiber des damals bereits Tausende Jahre alten Geldsystems an.

Dritte herauskopierte Seite: die Begriffe 'Geldwechsler[+]' und 'Banker[+]' werden in der Spätphase des Römischen Reiches fast synonym verwendet.

Was den meisten Menschen heute völlig abhanden gekommen ist, ist die fundamentale Verbindung zwischen dem Christentum und der antikapitalistischen Ökonomie[+]: in Lukas, Kapitel 6, Verse 30 bis 35 schlägt Christus[+] negative Zinsen vor, eine der vorherrschenden diametral entgegenstehende Art der Finanzierung von Unternehmungen, die zudem nur infolge eines Glaubensbekenntnisses möglich gewesen wäre, da man niemanden zur Annahme dieser Grundregel zwingen konnte:

  1. Jedem, der dich (um etwas) bittet, dem gib, und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück!
  2. Und wie ihr von den Leuten behandelt werden wollt, ebenso behandelt auch ihr sie!
  3. Denn wenn ihr (nur) die liebt, die euch lieben: welchen (Anspruch auf) Dank habt ihr dann? Auch die Sünder lieben ja die, welche ihnen Liebe erweisen.
  4. Und wenn ihr (nur) denen Gutes erweist, die euch Gutes tun: welchen (Anspruch auf) Dank habt ihr dann? Auch die Sünder tun dasselbe.
  5. Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr (das Geliehene) zurückzuerhalten hofft: welchen (Anspruch auf) Dank habt ihr dann? Auch die Sünder leihen den Sündern, um ebensoviel zurückzuerhalten.
  6. Nein, liebet eure Feinde, tut Gutes und leihet aus, ohne etwas zurückzuerwarten! Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn er ist gütig (auch) gegen die Undankbaren und Bösen.
Darstellung der Tempelreinigung. Man vergleiche die dargestellten Elemente, darunter das Geld, Schafe und Kühe, mit den altertümlichen Homonymen[+] für das Wort Zins auf der zweiten herauskopierten Seite.

Die daraus entstehende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bezeichnet er als 'Himmelreich[+]' bzw. als 'Reich Gottes[+]', wobei ich vermute, dass das Adjektiv 'himmlisch' metaphorisch für 'theoretisch' ist. Die Negativzins-Ökonomie[+] ist erst in unserer Zeit[+] technisch zugänglich geworden, weil erst heute das Geldsystem vollkommen unter öffentlicher Kontrolle ist. Bis in unsere Zeit[+] war es aufgrund unterschiedlicher Gründe nicht möglich, diese antikapitalistische Ökonomie[+] zu realisieren.

Wir befinden uns also wahrlich mitten in einer Zeitenwende[+]!

Am Scheitelpunkt des Zivilisationsprozesses

Es folgt ein weiterer Textausschnitt aus William N. Goetzmann[+] 'Money Changes Everything[+]' (2016) über die Bedeutung und Rolle des verzinsten Geldes in der Entwicklung der Zivilisation am Beispiel des antiken Mesopotamiens (Irak), siehe unten. Nicht nur die Schrift und das Zählen sind durch den Umgang mit verzinstem Geld entstanden, sondern auch die fiskalischen und verwaltungstechnischen Strukturen von Staaten.

Dem positiv verzinsten Geld verdanken wir die Zivilisation. Mit Hilfe des Kapitalismus[+] haben wir seit 6. 000 Jahren als Spezies sehr erfolgreich den Planeten unter unsere Kontrolle gebracht, unverschämt Reichtümer aufgehäuft und immenses Wissen produziert. So wird verständlich, dass wir uns vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn wir von negativen Zinsen sprechen, denn damit wird der Generator der Zivilisation auf den Kopf gestellt. Doch schon immer profitierten die Menschen nicht nur vom Mammon, sondern litten auch unter ihm. Seit 6.000 Jahren erleben wir immer wieder die katastrophalen Krisen des kapitalistischen Prozesses, die Schuldensituation, den ökonomische Zwang[+], das Hoheitsgebiet des Mammon, den Währungsraum, zu erweitern, Kriege gegen den Nachbarn um Ressourcen zu führen, Bürgerkriege, Ausbeutung der Schöpfung, und so weiter.



Wir leben jedoch in einer Zeit[+], in der wir geldpolitisch[+] dazu in der Lage sind, den zins-ökonomischen Prozess auf geldpolitischem[+] Wege vollständig zu kontrollieren und sogar in sein Gegenteil zu verkehren. Meine Prognose ist, dass wir einfach von unserer Zeit[+] an mit zwei geldpolitischen[+] Phasen leben:

Wir haben keinerlei Erfahrungen damit, was uns infolge dieser fundamentalen Veränderung alles begegnen wird. Einziger Anhaltspunkt im Verständnis der zu erwartenden Entwicklungen ist die Analyse des Kausalnexus[+]' der positiven Zinsen. Nur wenn wir verstehen, welche Wirkung die positiven Zinsen hatten, werden wir vorhersagen können, was uns infolge einer Ökonomie[+], in der die Zinsen auf Guthaben und bei Krediten negativ sind, erwartet. Wir betreten da absolutes Neuland und realisieren den vermutlich ältesten Traum der Menschheit.

Uneingeschränkte Kaufempfehlung: Money Changes Everything (2016) von William N. Goetzmann.

Schlussfolgerungen

Nimmt man die hier präsentierten Texte zusammen, so ergeben sich aufgrund der Sachlage einige interessante Schlussfolgerungen.

Zu welchen Zeitpunkten[+] und an welchen Orten genau es entdeckt und sich das Prinzip des Zinsnehmens vor 6.000-13.000 Jahren in der Welt etablierte und verbreitete, wird wohl noch längere Zeit[+] Gegenstand intensiver Forschungen sein. Aufgrund seiner zentralen Bedeutung für den ökonomischen, den realwirtschaftlichen und den zivilgesellschaftlichen Prozess ingesamt sind wohl alle Querverbindungen zwischen Ökonomie[+] und Religion interessant. Der Finanzhistoriker William N. Goetzmann[+] legt nahe, dass die den abrahamitischen Religionen grundlegende Texte den Zivilisationsprozess als Folge des Zinsnehmens aus Sicht der Völker des Nahen Ostens beschreiben. Der sogenannte Sündenfall[+] sei, so Goetzmann[+], wahrscheinlich die Entdeckung und Etablierung des Zinsnehmens gewesen. Es ergeben sich daraus für die Bibel, zusammengesetzt aus Torah, den Chroniken, den Sprüchen, den Propheten-Büchern, dem Neuen Testament, sonstigen Anlagen inclusive der Apokryphen und selbstverständlich dem Koran, eine Fülle von Auslegungsmöglichkeiten. So ist der Tempel Salomos wahrscheinlich nicht nur Gotteshaus, sondern auch eine Bank[+] gewesen und waren Priester den heutigen Ökonomen analog. Auch Propheten gab es damals so wie es sie heute gibt, nur dass die Prophezeiung heute 'Erwartung', 'Projektion' oder 'Prognose' genannt wird und die Hohepriester Lehrstühle der Volkswirtschaftslehre[+] oder die Stühle von wirtschaftswissenschaftlichen Institutionen besitzen.

Weitere Schlussfolgerungen ergeben sich, wenn noch andere Autoren, wie z.B. Karl Marx[+], Joseph Schumpeter[+] und Max Weber[+] hinzugenommen werden. So bezeichnen wir die heutige modernste Spielvariante des Zinsnehmens als 'Kapitalismus[+]'. Was Goetzmann[+] also die 'Geschichte der Finanzierung' ('History of Finance') nennt, ist die Geschichte des Kapitalismus[+]' und also des Antriebs des Zivilisationsprozesses in Richtung Wachstum[+] und Fortschritt. So interpretiere ich z.B. die Geschichte vom Turmbau zu Babel als eine repräsentative Geschichte des Urkapitalismus[+]. Mit dem Bau der Stadt und des Turms verbinde ich nicht nur die Errichtung von Gebäuden und Befestigungsanlagen, sondern auch das Auffinden einer regelbasierten (Verkehrs-) Ordnung[+], das der Kapitalismus[+] durch die Erzeugung von Kontrahierungszwängen[+] erzwingt, wobei ich mit 'Verkehrsordnung' die Privatrechtsordnung einer Marktwirtschaft[+] meine.

Ganz klar ergibt sich als implizite, aus Erkenntnissen Goetzmanns[+] abgeleitete Aussage: Jesus[+] war ein radikaler, bis zum Äußersten gehender Geldsystem- und Zinskritiker[+]! Die berühmte Vertreibung der Geldwechsler[+] aus dem Tempel Salomos werte ich als eine systemkritische Aktion. Jesus[+] kritisierte den Kapitalismus[+], indem er die Bertreiber des kapitalistischen Geldsystems aus dem Gebäude vertrieb, das eigentlich der Anbetung JHWHs dient. Und so wie Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden, nachdem Gott entdeckt hatte, dass sie gegen das Gebot, vom verbotenen Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen, verstoßen hatten, werden mit Sicherheit dann, wenn eine kritische Masse der Bevölkerung in der heutigen hochvernetzten Welt begriffen hat, wer eigentlich am Ende noch von positiven Zinsen profitiert, die Bezieher von Zinsen in allen ihren Formen, die allesamt aus dem Eigentum[+] an Sachen und dem Verkauf von Verfügungsrechten[+] an diesen Sachen abgeleitet werden, aus dem künstlichen Paradies vertrieben, das sie sich bis dahin im kollektiven Unbewussten errichtet hatten. Wo die Vermehrung des geltenden Toten[+] oberster Zweck[+] war, wird dann eine Lücke entstehen, die nicht durch eine neue menschliche Macht (z.B. Tyrann, einen Autokraten oder einen Diktator) gefüllt werden kann, wenn wir es ernst meinen mit dem Ende von Herrschaft. Von einem zinslogischen Standpunkt aus betrachtet kann in diese Lücke nur der Schutz des bedrohten Lebens auf diesem klein gewordenen Planeten treten.

Von einem mathematischen Standpunkt aus betrachtet ist zudem die Systemfrage zwischen dem Kapitalismus[+] und seinem logischen Gegenteil die Frage nach dem Vorzeichen des Zinses. Zwar ist die Textstelle Lukas 6:35 für sich genommen nicht so übersetzt, dass klar ist, dass es sich bei Jesu[+] Forderung um die Akzeptanz negativer Zinsen beim Verleihen von Geld handelt; nimmt man jedoch den Kontext Lukas 6:[30-35], und insbesondere den Vers 34, der besagt, dass bereits 0 % Zins (also ein nicht-kapitalistisches aber auch nicht anti-kapitalistiches ökonomisches System) Sünde ist hinzu, dann gibt es für mich keine Zweifel, dass es sich bei dem, was Christus[+] 'Himmelreich[+]' oder das 'Reich Gottes[+]' nannte, um das selbe ökonomische System handeln muss, das Marx[+] und Engels als Kommunismus[+] bezeichnet haben. Dieser Kommunismus[+] hat logischerweise nichts zu tun mit zentralstaatlichen Systemen, wie sie in der Sowjetunion, in Kuba, Nordkorea oder China realisiert wurden, sondern ist eine reine, sich selbst regulierende Marktwirtschaft[+].

50 Tage nach Ostern feiern Christen das Pfingstfest. In den Versen 37-47 des 2. Kapitels der Apostelgeschichte wird deutlich, dass die ersten Christen eine gemeinschaftliche Lebensweise anstrebten. Diese Lebensweise muss, vom Fortschrittsniveau abgesehen, logischerweise einen ähnlich sozialen Modus gehabt haben wie die Lebensweise vor dem Sündenfall[+], die Goetzmann[+] als 'kommunal' bezeichnet:

Indeed, explicit contracting, record-keeping and documentation of effort and rations that characterize the ancient city states appear to be a departure from the idealistic word of communal life. Yet these tools undoubtely made large-scale urbanization and political entities possible.

Dass jedoch die Menschheit beim Übergang zu einer Negativzins-Ökonomie[+] zentrale Errungenschaften ('tools') des Kapitalismus[+], wie z.B. die Städte und Staaten, der technische (Wohl-) Stand, die Messbarkeit und messtechnische Erfassung des wirtschaftlichen Prozesses, seine Dokumentation, die regelbasierte Werte- und Verkehrsordnung, so wie die politischen Systeme inclusive der Demokratie zum Auffinden dieser Ordnung[+] aufgibt, wage ich zu bezweifeln. All diese Errungenschaften werden höchstwahrscheinlich weiter bestehen und sich auf eine für mich derzeit nicht klar absehbare Weise zur Umkehr des Zinsflusses[+] verhalten. Wohin die Reise nach der Umkehr des Zinsvorzeichens geht, ist wohl so unvorhersehbar, wie die Zeitentwicklung[+] eines Waldes oder einer Blumenwiese. Jedenfalls verläuft er weg vom Abgrund hin zu einem Ort unter freiem Himmel.

Ende der Bezahlwand

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Tim Deutschmann

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