Wirklichkeit und Kausalität
Keine (subjektive) Beschreibung von Wirklichkeit kommt aus, ohne den physikalischen Rahmen zu definieren, innerhalb dessen sie ist. Dieser hier in diesem Abschnitt beschriebe physikalische Rahmen definiert nämlich zugleich, was Wirklichkeit nicht ist. Niklas Luhmann[+] verwendet für diesen physikalischen Rahmen in der Sachdimension und der Zeitdimension, also in der Raumzeit, wie wir Physiker den Begriff (Ereignis-)Horizont. Luhmann[+] erweitert den physikalischen Horizontbegriff um die Sozialdimension des Sinns, die sich derzeit aufgrund ihrer Komplexität einer rein physikalischen Beschreibung entzieht und Gegenstand der Geistes- und Sozialwissenschaften ist.
Die Antwort auf die Frage, wie die Welt ist erhält man in Beziehungen zur Welt. Wirklichkeit entsteht in und durch Beziehungen. Die Wirklichkeit wird durch Ereignisse strukturiert. Ereignisse sind beobachtete Wirkungen. Manifestationen, Realisierungen, Abdrücke oder auch Eindrücke von Wirkungen heißen Informationen. Informationen hinterlassen Wissen als Abdruck.
Zun den Begriffen 'Ursache[+]' und 'Wirkung' schreibt Thure von Uexküll[+] 1945 in 'Wirklichkeit als Geheimnis und Auftrag[+]':
Verändern können wir aber nur etwas schon Gegebenes, und wenn der veränderte Gegenstand dadurch nichts Neues werden, sondern nur die veränderte bekannte Ursache[+] bleiben soll, so kann die Veränderung nur quantitativer Natur sein; denn nach jeder qualitativen Veränderung würde die Ursache[+] ja nciht mehr die gleiche bleiben. Darum meint die physikalische Wirkung genau definiert: die quantitative Veränderung einer quantitative Veränderung
Begriffe
Um die in diesem Buch verwendeten Begriffe Kausalität[+] und Wirklichkeit auf eine mit den physikalischen Grundlagen verträgliche Weise zu definieren, ist eine Möglichkeit[+], die Begriffe aus dem Bereich der Beschreibung toter Materie auf den Bereich sehr viel komplexerer physikalischer Systeme, nämlich sozialer Systeme auszudehnen.
Ereignisse
Als Ereignis kann ein räumlich und zeitlich beschränkter Unterschied (oder auch Differenz, Kontrast, Diskontinuität) zu einem räumlichen oder zeitlichen (kontinuierlichen, andauernden, homogenen) Hintergrund definiert werden. Die Verwendung des Begriffs Unterschied impliziert, dass ein Ereignis als eine Veränderung des räumlichen und zeitlichen Hintergrunds beobachtet wird. Als Hintergrund kann das angesehen werden, was über ein gegenüber dem räumlichen und zeitlichen Intervall des Ereignisses ausgestrecktes homogenes Kontinuum angesehen werden kann, demgegenüber das Ereignis abgesetzt ist.
Zur mathematischen Beschreibung von Ereignissen eignen sich sog. Kastenfunktionen $$ b_{\mathbf{q}_0 \varepsilon}(\mathbf{q})=\left\{\begin{array}{ccl} \frac{1}{\varepsilon} & \text{wenn} & \left|\mathbf{q}-\mathbf{q}_0\right|\lt\frac{\varepsilon}{2} \\ 0 & \text{sonst} \end{array}\right., $$ wobei $\mathbf{q}$ eine Ortsvariable ist und $\varepsilon$ die Breite (das Intervall) des ausgedehnten Ereignisses angibt. Räumliche und zeitliche Kastenfunktionen werden durch ein Produkt kombiniert um das Ereignis in der Raumzeit zu beschreiben. $$ b_{\mathbf{q}_0\varepsilon_q t_0 \varepsilon_t}(\mathbf{q}, t)=b_{\mathbf{q}_0\varepsilon_q}(\mathbf{q})\cdot b_{t_0 \varepsilon_t}(t). $$ Für räumlich oder zeitlich punktförmige Ereignisse vollzieht man für bestimmte Test-Funktionen den Grenzübergang $$ \lim\limits_{\varepsilon\rightarrow 0}\int\limits_{-\infty}^{+\infty}b_{\mathbf{q}_0\varepsilon_q}(\mathbf{q}) f(\mathbf{q})\,d \mathbf{q} \equiv\delta_{\mathbf{q}_0}(f)=f(\mathbf{q}_0) $$ und erhält eine sog. -Distribution.
Ereignishorizont und der Begriff des Mediums (die Vermittlung)
Die mathematischen Beschreibung eines Ereignisses enthält eine Ortsangabe () und den Verweis darauf, dass ein Ereignis von einem Ort aus beobachtet wird. Die Definition des Begriffes des Ereignishorizontes benötigt ein Abstandsmaß, sowie die Angabe einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wirkungen des Ereignisses. Die Ausbreitung von Wirkungen des Ereignisses heißt Vermittlung und hängt von den Eigenschaften des Raums, des Mediums, ab, in dem sich die Wirkung ausbreitet.
Elementarer Abstand
Die Schreibweise für den Abstand lautet $$ d(\mathbf{q}_1, \mathbf{q}_2)=\left|\mathbf{q}_2-\mathbf{q}_1\right|. $$ In der euklidischen Geometrie lassen sich Abstände über die Wurzeln des Quadrats des euklidischen Abstands zwischen Orten definieren.
Für die Ausbreitung von Informationen in sozialen Netzwerken gibt es charakteristische Distanzen, die natürliche Zahlen sind und Netzwerk-Nachbarschafts-Ordnungen[+], kurz Ordnungen[+], heißen.
Elementare Zeitspanne
Für soziale Räume lassen sich charakteristische Zeitspannen angeben, innerhalb derer
sich Wirkungen infolge von Kommunikation im Netzwerk ausbreiten. Diese Zeitspannen hängen
von der kommunikativen Kopplung (soziale/kommunikative Konnektivität)
und der (psychischen[+]) Latenz[+] (systeminterne Konnektivität) zur Weitergabe von Informationen eines Themas
miteinander in Kommunikation befindlicher Gesprächsteilnehmer (Kommunikanten) ab.
Die hier beschriebene Zeitspanne ist diejenige, innerhalb derer eine Information bezüglich eines Themas,
die von einem Kommunikanten $i$ vorgetragen, von einem Kommunikanten $j$
rezipiert (wahrgenommen) und an einen Dritten $k$ weitergereicht und rezipiert wird.
Es ist also kurz gesprochen die Zeitspanne die angibt, wie lange es dauert,
dass eine gerade verstandene Information durch Kommunikation
von einem Nächsten auch verstanden wird.
Ausbreitungswege
Für elementare Statitionen des Informationstransfers lassen sich Zeitspannen angeben. Wenn Informationen zwischen im Netzwerk weiter voneinander entfernt liegenden Knotenpunkten ausgetauscht werden, $$ i_S=i_0\rightarrow i_1\rightarrow \cdots \rightarrow i_N\rightarrow i_{N+1}=i_E, $$ wobei $N$ die Anzahl der Wegstationen entlang der Informationsausbreitung ist, addieren sich die Zeitspannen zu einer vom Weg abhängigen Gesamtdauer: $$ t_{\text{IT}, S\rightarrow E}(\text{Weg}, \text{Thema})=\sum\limits_{i=1}^N t_{\text{IT}, i-1\rightarrow i\rightarrow i+1}(\text{Thema}). $$ Schließlich kann für alle möglichen Kommunikationswege die Zeitdauer angegeben werden, die eine Information mindestens braucht, um von einem Sender $S$ zu einem Empfänger $E$ zu gelangen. Diese wegunabhängige Zeitdauer ist: $$ t_{\text{IT},S\rightarrow E}(\text{Thema})=\min\limits_{\text{Weg}\in\text{Wege}}\{t_{\text{IT},S\rightarrow E}(\text{Weg}, \text{Thema})\}. $$
Ausbreitungs-, Vermittlungs- oder Übertragungsgeschwindigkeit
Gemäß der in der Physik üblichen Definition der Geschwindigkeit
$$
v=\frac{\delta d}{\delta t}
$$
ist die Ausbreitungs-, Vermittlungs- oder Übertragungsgeschwindigkeit
$$
v_{\text{IT}, i j k}(\text{Thema})=\frac{1}{t_{\text{IT}, i j k}(\text{Thema})},
$$
hat also die physikalische Dimension einer Frequenz. Für die Formelgröße $\delta d$
in der Definition der Geschwindigkeit ist für den Fall sozialer Räume im Grenzfall $\delta d=1$ zu wählen.
In global homogenen und isotropen Räumen wie einem leeren von Gravitationsfeldern[+] freien Raum, in dem sich Licht ausbreitet,
ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Informationen (Wirkungen) eine Konstante des Mediums.
Die physikalische Obergrenze einer Übertragungsgeschwindigkeit ist die Lichtgeschwindigkeit. Konsistent dazu ist die alle Kausalformen einer Gegenwart einhüllende Kausalform die eines lichtartigen Ereignisses am Raumpunkt der Gegenwart. Für isotrope Räume ist diese einhüllende Kausalform kegelförmig.
Die für Menschen relevanten physikalischen Medien sind die Atmosphäre, in der sich Schall, Licht aber auch Kälte und Wärme ausbreiten. Menschen sehen, hören und fühlen. Bei physischem[+] Kontakt mit fester oder flüssiger Materie im den Menschen umgebenden Raum finden ereignen sich auch physische[+] Informationen.
Der Ereignishorizont für Licht, Schall und ähnliche optische bzw. mechanische Wellen ist nahezu kegelförmig, wenn ihre Intensität (der Kontrast zum Hintergrund) von der Raumrichtung unabhängig ist. Der physikalische Begriff für solche Ereignisse lautet Kugelwelle. Im Zentrum dieser Kugel befindet sich das ursächliche Ereignis, und die Orte der Wirkung dieses Ereignisses befinden sich auf der Oberfläche einer mit der Zeit im Radius anwachsenden[+] Kugel. Die Oberfläche der Kugel heißt im Zusammenhang mit Kugelwellen Wellenfront.
Kausalität, Wenn-dann-Ereignisfolgen
Unter Kausalität[+] versteht man den Zusammenhang zwischen bestimmten selegierten Ereignissen innerhalb des (Wirkungs) Horizontes und zeitlich vorweg gegangenen, den Wirkungshorizont erzeugenden, Ereignissen.
Von einer Kausalbeziehung zwischen den Ereignissen spricht man, wenn das Auftreten der zeitlich vorweg gegangenen Ereignisse die innerhalb des (Wirkungs-) Horizontes liegenden selegierten Ereignisse bedingen. Die zeitliche vorweggegangenen Ereignisse heißen dann Ursache[+] und die innerhalb des Wirkungshorizontes der Ursache[+] liegenden selegierten Ereignisse Wirkung. Das dann, die Kausalität[+], schränkt also die Wirkung auf alle nach der Ursache[+] auftretenden, innerhalb des Ereignishorizontes liegenden Ereignisse auf diejenigen Ereignisse ein, die eintreten, weil die Ursache[+] gegeben ist bzw. die nicht eintreten, wenn auch die Ursache[+] nicht eintritt.
Beispiele für kausale Zusammenhänge
Das Gehirn bildet im Lauf der Zeit Heuristiken über kausale[+] Relationen. Z.B. lernt jedes Kind im Laufe der Zeit, dass Dinge, die mit der Hand festgehalten werden, auf den Boden herunter fallen, wenn man sie loslässt. Die Übertragung des kausalen[+] Zusammenhangs des Loslassens eines in der Hand befindlichen neuartigen Gegenstand und seinem Aufschlagen auf dem Boden geschieht schon fast automatisch. Wie überrascht wäre wohl ein Mensch, würde er einen schweren Gegenstand loslassen und er fiele nicht auf den Boden, sondern schwebte davon?
Die kausalen[+] Zusammenhänge können sehr große Komplexität annehmen, wenn eine Wirkung wieder eine neue Ursache[+] ist, die wiederum eine andere Wirkung zur Folge hat. Das Spiel „Domino-Ralley“ ist ein schönes Beispiel für eine lange jedoch im Grunde wenig komplexe Kausalkette.
Um ein weiteres Beispiel zu geben, denke man an eine Schnur, die mit einem Ende an einer Zimmerdecke hängt und an der ein Gegenstand befestigt ist. Lässt man den Gegenstand in einer Lage auf der Fläche, auf der sich der Gegenstand bewegen kann neben und über dem Tiefpunkt los, so besteht darin eine Ursache[+] für die darauf folgende Bewegung. Der Gegenstand nimmt Geschwindigkeit auf und schwingt durch den Tiefpunkt (Wirkung). An diesem Raumpunkt ist die Bewegung ursächlich dafür, dass sich der Gegenstand, nun zu der dem Startpunkt bezüglich des Tiefpunktes gegenüber liegende Seite hin bewegt. Ist wiederum der höchste Punkt erreicht, so ist dies die Wirkung der Bewegung durch die Gleichgewichtslage, Wirkung des Loslassens des Pendels am Anfang und wieder neue Ursache[+] für das Schwingen in die entgegengesetzte Richtung. Wirkung und Ursache[+] kehren sich beim Pendel also ständig ineinander um.
Schwieriger wird es, wenn man sich Prozesse anschaut, deren Wirkungen verzweigen, wieder ursächlich werden und sich so räumlich und zeitlich ausbreiten. Die einfache Ursache[+], einen Tropfen in Wasser fallen gelassen zu haben, hat eine hoch komplexe Wirkung zur Folge. Das filigrane Gebilde, das aus der Verteilung der Flüssigkeit des Tropfens entsteht, war am Anfang des Prozesses ein kugelförmiger Tropfen.
Kettenreaktionen, Resonanzen und der Begriff der Rückkopplung
Ein besonderes Phänomen ereignet sich, wenn die aus einer Ursache[+] hervorgehende Wirkung auf die Ursache[+] zurückwirkt. Bei dieser Rückwirkung sind zwei gegensätzliche Phänome unterscheidbar. Von positiver Rückkopplung[+] („Mitkopplung”) spricht man, wenn die Rückwirkung die Ursache[+] verstärkt. Das daraus resultierende Phänomen heißt bei schwingungsfähigen Systemen Resonanz[+]. Von negativer Rückkopplung[+] (Gegenkopplung) spricht man hingegen, wenn die Rückwirkung der Ursache[+] entgegenwirkt, sie also dämpft.
Als weiteren Begriff zur Beschreibung sozialer Phänome benenne ich hier den Begriff der Kettenreaktion. Eine Kettenreaktion liegt vor, wenn eine Wirkung Ursache[+] einer weiteren Wirkung, die wiederum zur Ursache[+] einer weiteren Wirkung wird. Die sich zeitlich und räumlich ausbreitende kausal[+] verkettete Abfolge von Ereignissen heißt Kettenreaktion, wenn sich der Ort der Wirkungen räumlich immer weiter vom Ort der ersten Ursache[+] weg verlagert. Der Unterschied zwischen einer Kettenreaktion und einem System mit positiver Rückkopplung[+] ist also, dass die Wirkung nicht auf die erste Ursache[+] zurückwirkt, sondern Ursache[+] an einem anderen, meist unmittelbar nahen Ort wird.
Schließlich sind die konvergente Beziehungen Systeme mit positiver und divergente Beziehungen sind Systeme mit negativer Rückkopplung[+]. Die Vergenzfunktion gibt dabei die Kopplungsstärke an.
Kausalität, Logik, Kausalnexus, Kausalform und Ereignishorizont
Die ausgesprochene Weltanschauung und -auffassung eines Menschen kann, zumeist wenigstens streckenweise, als logisch konsistentes Gedanken- und Aussagengebäude angesehen werden. Die logische Folgerung ist darin ein verbindendes Element, das letztendlich physikalische und im Speziellen sozio-ökonomische Kausalität[+] abbildet. Logisch ist, was in einem kausalen[+] Zusammenhang zu den Voraussetzungen steht, was also Wirkung mit Ursache[+] verbindet.
Als den Kausalnexus[+] einer Ursache[+] bezeichne ich im Folgenden alle Phänomene bzw. ihre sprachlichen Darstellungen, die kausal[+] mit der Ursache[+] im Zusammenhang stehen. Mit Kausalnexus[+] einer Ursache[+] sind also sämtliche Wirkungen gemeint, die aus einer Ursache[+] folgen. Sprachlich (nominal, benannt) wie real besteht der Kausalnexus[+] aus Strängen oder Wirkungskanälen, entlang derer sich die Wirkungen der Ursache[+] ausbreiten. Die Stränge sind Teil einer Struktur, entlang der Wirkung stattfindet.
Der oben verwendete Begriff der Kausalform einer Ursache[+] ist in Bezug auf ein Medium innerhalb dessen sich Wirkungen ausbreiten der Rand einer Punktmenge der Raumzeit, die aufgrund der Endlichkeit der Ausbreitungsgeschwindigkeit nicht in kausalem[+] Zusammenhang stehen können mit der Ursache[+]. Ereignisse, die außerhalb der Kausalform auftreten, sind akausal[+] zur Ursache[+] des Kausalnexus[+]. Umgekehrt befinden sich alle bewirkten Ereignisse, also die Elemente des Kausalnexus[+], innerhalb der Kausalform.
Ein Kausalnexus[+], der in mehreren unterschiedlichen Medien gleich vorhanden ist, hat für jedes Medium eine Kausalform. Die Kausalformen der unterschiedlichen Medien liegen schalenartig in einander und um die Ursache[+] herum. Der äußerste Kausalform ist der physikalische Rand, der durch die Lichtgeschwindigkeit und die Raumzeit als Medium bedingt ist. Die entsprechende Kausalform heißt Ereignishorizont.
Die physikalische Dualität der Wirklichkeit
Da der Zweck[+] der bisherigen Ausführung ist, einen physikalischen Rahmen der Wirklichkeit zu bestimmen
und einen Analogieschluss[+] vom physikalischen auf den geistesphänomenologischen Wirklichkeitsbegriff
durchzuführen mache ich hier ein Sprung um sage,
was neben den physikalischen Gegebenheiten auch zum Begriff der Wirklichkeit gehört.
Es wird erkennbar sein, dass sich Teile des physikalischen Wirklichkeitsbegriffes
im geisteswissenschaftlichen Begriff spiegeln.
Das, was die meisten Menschen als Wirklichkeit bezeichnen, ist eine Konstruktion des menschlichen Gehirns. Die Wirklichkeit hat zwei Seiten, die einen bedeutenden „Überlapp“ besitzen. An das Gehirn sind all unsere Sinnesorgane angeschlossen, die die elektrische Reize verursachen und die im Gehirn durch Kombination mit dem Gedächtnis eine Wahrnehmung erzeugen. Die Sinnesreize entstehen durch die Existenz in der Umwelt und werden durch das Gedächtnis entsprechend der jeweils eigenen Wirklichkeitsauffassung rezipiert, passive Wirklichkeit. Die passive Wirklichkeit ist also die Wirkung der Umwelt, also der Handlung Anderer und der übrigen Geschehnisse auf das Selbst.
Anderseits ist Wirklichkeit das Produkt unseres eigenen Tuns (aktive Wirklichkeit). Wir wirken durch das, was wir tun auf die Umwelt ein. Die Entscheidung darüber, was wir tun bildet sich im Selbst aus einem Vermittlungsprozess zwischen Über-Ich Strukturen des Gedächtnisses und Reizen aus dem Es (Ich-Prozess).
Die beiden Seiten der Wirklichkeit beziehen sich also auf die Lage von Ursache[+] und Wirkung. In der passiven Wirklichkeit liegt die Ursache[+] (überwiegend) außerhalb des Selbst, die Umwelt wirkt also auf das Selbst, während in der aktiven Wirklichkeit das Selbst Ursache[+] ist und auf die Umwelt wirkt. Im Vergleich zum Begriff des Ereignishorizont eines isotropen Raums ist der passiven Wirklichkeit der Kegel der Vergangenheit zugeordnet. Im Selbst finden Wirkungen statt, deren Ursachen[+] in der Vergangenheit und in der Umwelt innerhalb des Ereignishorizonts liegen. Die aktive Wirklichkeit ist hingegen dem Kegel der Zukunft zugeordnet. Das Selbst ist Ursache[+] und Wirkungen finden im Selbst und/oder in der Umwelt und in der Zukunft innerhalb des Ereignishorizonts statt.
Die aktive und die passive Wirklichkeit sind nicht scharf zu trennen, weil wir Teil der Umwelt sind. Im Überlapp der beiden Wirklichkeitsbegriffe besteht unsere „Ankopplung“ an „die“ Welt. Den Überlapp (Zusammenhang) zwischen aktiver und passiver Wirklichkeit nennt man auch Selbstreferenzialität. In diesem Überlapp besteht die Möglichkeit[+] das eigene Handeln zu reflektieren, also die Folgewirkung des Urs[+]ächlichseins zu beobachten und auf Grundlage der Erfahrung auf Wirkungen zu reagieren, deren Ursachen[+] in der Umwelt liegen.
Das Erkenntnisstreben des Physikers kann nämlich deshalb nie «rein» sein, weil der Begriff der Erkenntnis für ihn einen ganz anderen Inhalt hat, als beispielsweise in der Philosophie. Wenn wir sagen, das Erkenntnisstreben des Physikers sei seinem Wesen nach «technisch-praktisch», so heisst das, dass für ihn ein Vorgang erst dann «erkannt» ist, wenn er ihn mit menschlichen Mitteln[+] nachmachen kann. Ob das theoretisch im «Gedankenexperiment» oder praktisch im Laboratorium geschieht, ist dafür völlig gleichgültig. Die Einstellung zu den Phänomenen der Welt, die Haltung, in der er an sie herantritt, ist in beiden Fällen die gleiche. Sie gründet sich auf die Vorstellung, dass nur das Anspruch auf «Wirklichkeit» im physikalischen Sinne machen darf, was wenigstens im Prinzip vom Menschen nachgemacht werden kann. Ein Vorgang ist also erst dann physikalisch «erkannt», wenn wir ihn in allen Phasen do übersehen, als ob er im Laboratorium des Physikers abliefe.
Der praktische Inhalt des physikalischen Erkenntnisideals kommt in dem deutschen Wort «Wirk-lichkeit» überraschend zum Ausdruck, wenn man darunter den Bereich versteht, der alles das enthält, was der Mensch wirken oder bewirken kann. Die Haltung, in der ein Mensch als Bewirkender der Welt gegenüber tritt, ist aber eine ganz besondere, und auch die Welt, in der er wirken kann, muss eine besondere Ordnung[+] aufweisen. Bewirken, das heißt auf ein bestimmtes Ziel hin tätig sein, können wir nur in einer Welt, in der die festen Beziehungen zwischen Ursache[+] und Wirkung herrschen. Will ich nämlich eine bestimmte Wirkung erzielen (bewirken), so muss ich die Ursache[+] kennen, mit der ich diese herbeiführen kann.
Querverweise auf 'Wirklichkeit und Kausalität'
- Unwissenheitsmanagement: Kapitalismus, Intuition und Konflikt; Überall falsche Propheten, Unkrautsäer und babylonische Sprachverwirrung; Wie sich Intuition bildet; Der Rahmen der Weltanschauung und -erfahrung; Kapitalistische Sozialisation; Projektion auf der Grundlage des inneren Weltmodells; Durch das Kapital und seine Fortpflanzung bedingte soziale Kausalität; Der Systemanteil im Selbst; Zwei Klassen und zwei Wahrheiten; Das Rechts-Links-Schema; Schluss mit der Spalterei und dem blinden, unhinterfragten Gehorsam den eigenen Affekten gegenüber!; Negative Zinsen, wer weiß schon, wie das geht?; Viele der neuen Freiheiten und Wandlungsmöglichkeiten liegen in einer bestimmten Richtung. Welche Richtung ist das und wer bestimmt, welche Freiheiten sinnvoll sind?
- Wahnhafte Erwartungen: Paranoia; Der altägyptische Gott Schu, das Totengericht und Goethes Pudel; Paranoia nach Prof. Dr. Volker Faust; Einige Annahmen über die Bedeutung von und Erwartung an Vertrauen, Logik und Liebe in Beziehungen; Die Beachtung der Logik und Kenntnis von Kausalzusammenhängen sind überlebenswichtige Fähigkeiten; Ein geschädigter Mensch sucht nach Ursachen, doch über bestimmte Ursachen schweigt man sich aus; Der Urmensch ist von Natur aus weder »nur arglos« noch »nur argwöhnisch«; Der Zivilisationsmensch reduziert die Komplexität von marktwirtschaftlichen Netzwerken auf den Einzelvertrag und schneidet ab der ersten Nachbarschaftsordnung ab; Mögliche Ursachen der Paranoia; Fazit
- Kommentierung von Karen Horneys Aussagen zu Kultur und Neurosen von 1937; Grundangst, Norm und Neurose; Freuds Position und das Zusammenspiel von Kultur und Neurose bzw. die Interdependenz von Soziologie und Psychologie; Sublimierung von Trieben und die Entstehung des Über-Ichs; Kulturniveau und Unterdrückung von menschlichen Trieben; Konflikte und Wettbewerb; Widersprüche, Spaltungen und Paradoxien; Referenzen / Einzelnachweise
- Goethe und Schumpeter zu Luther, zur Bestechung von Intellektuellen und zur Unterdrückung der um das Geheimnis des Zinses Wissenden durch die Reichen und Mächtigen
- Netzwerke; Knoten, Kanten, Direktion und Direktionskonflikte; Menge aller Knoten und Eigenschaften der Kanten; Skaleninvarianz
- Teleologische Reihen; Kausalität und die Länge teleologischer Reihen; Synonyme und Analoga; Existenz als Zweck; Grundzweck: das Existenzminimum; Höhere Zwecke - höhere Formen der Existenz; Teleologisches Handeln einer Gruppe; Referenzen / Einzelnachweise
- Zins-induziertes-Verhalten; Monetäre Schuld, Zwang und Selbstbestimmung; Entstehung des Über-Ichs im Prozess der Zivilisation nach Norbert Elias; Ängste und Werte; Entstehung von Wert nach Georg Simmel; Die zentrale Konditionierung im Kapitalismus und Ursprung der Spaltung; Referenzen / Einzelnachweise
- Das Zinsvorzeichen und das Gleichgewicht der Bestimmung; Der positive Zins als direktes und indirektes Herrschaftsmittel; Der Befehl, den Zins herzugeben wird aus einem Vertrag und letztlich aus dem Rechtsinstitut des Eigentums abgeleitet; Verträge zur Stillung existenzieller Bedürfnisse werden bei positivem Zins mehrheitlich und zunehmend nicht frei geschlossen, sondern in Folge existenzieller Zwänge; Die Bewältigung der Folgen des Zinsnehmens im BGB; Zins und symbolische Gewalt im Mikrosozialen; Die patriarchaische Ausbeutung der Frau durch den Mann als Protoform symbolischer Gewalt; Der Zins ist das Kind des Geldes mit demjenigen Menschen, der ihn durch seine Arbeitskraft gebärt; Gewalt gegen die natürliche Semantik und Framing; Reproduktion der vom Zins abgeleiteten Formen symbolischer Gewalt; Gewalt gegen die Wahrheit über das Zinsnehmen; Das affektive Ködern; Symmetrie-Vergleich der Störungen des Gleichgewichts der Bestimmung aufgrund des Zins-Vorzeichens; Symmetrie der Störung: Vertragsabschlusszwang; Asymmetrie der Störung: Arbeit und Kapital; Der Wechsel des Zinsvorzeichens und die Entstehung des Sozialismus: Schumpeter zu Marx; Referenzen / Einzelnachweise
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