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Das ordnungstheoretische Spannungsfeld zwischen Marktwirtschaft und Zentralverwaltungswirtschaft

Die Ordnungspolitik[+] bewegt sich zwischen den Extremen der reinen Marktwirtschaft[+] und der sog. Zentralverwaltungswirtschaft[+]. Im folgenden Abschnitt bemühe ich mich um eine vertragstheoretisch begründete juristische Definition des Feldes. Dazu benenne ich die drei fundamentalen Vertragsarten jeder Form der Marktwirtschaft[+], definiere davon ausgehend die Begriffe Realwirtschaft und Nominalwirtschaft[+], um dann unter Zuhilfenahme der Habilitationsschrift von Prof. Jan Busche[+] mit dem Titel 'Privatautonomie[+] und Kontrahierungszwang[+]' den Rahmen der Ordnungstheorie[+] abzustecken. Es zeigt sich, dass die aus Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleitete Privatautonomie[+] das Kernelement jeder Marktwirtschaft[+] ist und dass demzufolge in zunehmenden Einschränkungen der Privatautonomie[+], sog. Kontrahierungszwängen[+], eine Tendenz in Richtung Sozialismus[+] auszumachen ist.

Am 17.10.2021 veröffentlichte ich ein kurzes Video über ordnungspolitische[+] Möglichkeiten[+], die in Folge einer Geldpolitik[+] negativer Zinsen entstehen.

Wirtschaft

Der Wirt schafft, doch wie? Jegliche Form marktwirtschaftlichen[+] Handelns besteht im Abschluss, der Gestaltung, der Einhaltung, der Kündigung und Beendigung von Verträgen. Jedes Element der Wirtschaft handelt gewinnorientiert (siehe messbare Nutzenbegriffe) mit Waren, Verfügungsrechten an Sachen und Dienstleistungen und hat entsprechend Einnahmen und Ausgaben. Alle Teile der Wirtschaft, alle Wirtschaftssubjekte, stillen die hinter ihrer Nachfrage stehenden menschlichen Bedürfnisse. Ein Vertrag ist in dem hier gemeinten Sinn ein Begriff für den gegenseitigen Austausch von Gütern in Austauschbeziehungen.

Märkte und Verträge

An allen Märkten werden Verträge geknüpft. Auf dem Arbeitsmarkt[+] entstehen Arbeitsverträge[+], im Einzelhandel Kaufverträge, auf Wohnungsmärkten Mietverträge, in den Banken[+] Sparverträge und Kreditverträge etc.. Wenn man sich die Menge aller möglichen Verträge anschaut, dann sind zum Verständnis der Entwicklung in Folge von Geldpolitik[+] drei Gruppen von Verträgen wichtig:

Der Rechtsstaat wacht über die Einhaltung von Gesetzen und Verträgen (pacta sunt servanda[+], § 241 BGB[+]). In einem Rechtsstaat sind Gerichte im Bereich des Zivilrechts die stillen Begleiter von Märkten, die genau dann in Erscheinung treten, wenn es zu Störungen des Austauschs kommt. Anhand der oben aufgeführten drei Vertragsarten ist es relativ einfach, die Begriffe Marktwirtschaft[+], Leihwirtschaft, Realwirtschaft, Neoliberalismus[+] und Geldpolitik[+] auseinander zu halten.

Unterscheidung von Kaufverträgen und Leihverträgen

Die Güter des Bedarfs lassen sich in Nutz-, Besitz[+]- und Gebrauchsgüter einerseits und Konsum- und Verbrauchsgüter andererseits zerlegen. Die Verfügungsrechte[+] an Sachen, also Nutzung, Besitz[+] und Gebrauch, lassen sich in Rechte[+] einteilen, die reine Eigentümerrechte[+] sind, wie das Recht[+], die Sache zu verkaufen oder zu vernichten, und alle anderen Nutzungsrechte. Indem eine Sache zerstört oder verkauft wird, erlischt für den Eigentümer[+] zunächst jegliche rein eigentümliche Verfügungsmöglichkeit über die Sache, während ihm die reinen Eigentümerrechte[+] erhalten bleiben, wenn die Nutzung der Sache, nicht jedoch die Sache selbst, an einen Besitzer[+] verkauft wird. Die reinen Eigentumsrechte[+] bilden die obersten Rechte[+] der Sachherrschaft. Eine Herrschaft über Menschen, im Sinne einer Leibeigenschaft, gibt es seit einigen hundert Jahren in Europa nicht mehr, obwohl gegenwärtig einige Schuldverhältnisse oder Leiharbeitsverträge einen ähnlichen Charakter haben.

Die Benennung der Vertragsart weicht bei den Leihverträgen von der juristischen Terminologie, die mit 'Leihvertrag' Leihen ohne Zins meint, ab. Ich meine mit Leihverträgen Spar- und Kreditverträge, Anleihen[+], Obligationen[+] und festverzinsliche Wertpapiere, Mietverträge, Pachtverträge, Lizenzverträge und allgemein Verträge, in denen Sachen zum Gebrauch gegen die Zahlung einer Gebühr, den Zins, überlassen werden. Bei der Unterscheidung von Kaufverträgen und Leihverträgen orientiert sich die Einteilung daran, welche Rolle Verfügungsrechte[+] an Sachen dabei spielen.

Unterscheidung von Realwirtschaft und Leihwirtschaft

Es können zwei ineinander greifende, miteinander in Austausch und Koevolution stehende Teilprozesse unterschieden werden, die Realwirtschaft und die Leihwirtschaft, von denen die Realwirtschaft diejenige ist, die unabhängig davon, ob das ökonomische System kapitalistisch-marktwirtschaftlich[+], sozialistisch[+]-zentralverwaltungswirtschaftlich oder kommunistisch-marktwirtschaftlich[+] ist, existiert.

Die gesamte Wirtschaft ist in Leihwirtschaft und Realwirtschaft unterteilt. Leihwirtschaft zerfällt in die Finanzwirtschaft, die unter der Kontrolle von Geldpolitik[+] steht und in den Handel mit Verfügungsrechten[+] an den Sachen, die nicht Geld sind. Die Politik, als ein Teil der Ökonomie[+], macht Gesetze für das Ganze, während Geldpolitik[+] direkt die Dynamik der Finanzpolitik und indirekt die übrige Leihwirtschaft und die Realwirtschaft steuert (bestimmt).

Joseph Schumpeter[+] hat in Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung[+] diese beiden Teile als statische und dynamische Teilprozesse aufgefasst. Die Benennung der Realwirtschaft mit dem Wort Statik bezieht Schumpeter[+] auf die kreislaufartige Struktur der Wechselwirkungen seiner Akteure, die ohne die Mechanismen und den Einfluss der Finanzwirtschaft in konstanten Bahnen verläuft. Die Ermöglichung der Veränderung der Bahnen dieser Kreisläufe, die Dynamik der Entwicklung, die Durchsetzung neuer Kombinationen, schreibt Schumpeter[+] der Finanzwirtschaft zu, die ein Teil der Leihwirtschaft ist. Diese Durchsetzung neuer Kombinationen wird aktiv durch Unternehmer durchgeführt, die unter Nutzung von zinsträchtigem Leihkapital Innovationen realisieren. Die innovativen Veränderungen des sonst Statischen bilden die Gewinnquelle der Leihwirtschaft und heißt Fortschritt.

In der Leihwirtschaft wird mit der Verfügung über Nutz-, Besitz[+]- und Gebrauchsgütern gehandelt, wobei die Preise im Allgemeinen Zinsen (analog Mietzinsen[+], Pachtzinsen[+], Lizenz- und Nutzungsgebühren) sind, doch namentlich in anderen Begriffen wie Rendite, Miete, Pacht, Nutzungs- und Leihgebühren versteckt sind, während in der Realwirtschaft alle anderen Arten von Gütern gehandelt werden. Die Preise der Realwirtschaft heißen Kaufpreise und Löhne, Gehälter oder Honorare.

Nominalwirtschaft: Leihwirtschaft und Finanzwirtschaft zusammengenommen

Die Finanzwirtschaft ist Teil der Leihwirtschaft, die den Umverteilungskern des Kapitalismus[+] bildet.

Der Kreditnehmer kauft sich die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag in einem bestimmten Zeitraum[+] und zahlt dafür den Zins. Das Selbe macht die Bank[+] gegenüber den Sparern, denn Sparer überlassen bei positivem Zins und im Allgemeinen bei nicht vorhandener Umlaufsicherung ihr Geld der Bank[+] nur für die Zahlung des Sparzinses. Der Eigentümer[+] einer Wohnung, die er nicht braucht, verkauft die Verfügungsrechte[+] an der Wohnung für den Mietzins[+] an einen Mieter. Der Grundherr (englisch landlord) verkauft die Nutzung des Landes, der Gaststätte usw. an den Pächter, Lizenznehmer kaufen nicht die Musik, sondern nur die Nutzung der Medien, auf denen sich die Musik befindet, sie kaufen nicht das Betriebssystem, sondern nur seine Nutzung, und ähnlich ist es mit vielen anderen Arten von Lizenz-, Nutzungs- und Leihgebühren, z.B. auch der Benutzung der Infrastruktur sozialer Netzwerke, die man implizt mit den Daten bezahlt, die man dort hinterlässt oder die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel gegen Fahrentgelt.

Mehrdeutigkeit des Begriffs der Geldwirtschaft

Die Finanzwirtschaft ist ein Teil der Leihwirtschaft und handelt mit Verfügungsrechten[+] an Sachen, die geldartig sind. Eine andere, ältere Bezeichnung für Finanzwirtschaft lautet Geldwirtschaft, doch ist das Wort Geldwirtschaft doppeldeutig. Die Bezeichnung Geldwirtschaft suggeriert sowohl den Handel mit Verfügungsrechten[+] an Geld als auch jeglichen Handel, bei dem Geld eines der ausgetauschten Güter ist. Legt man letztere Bedeutung zugrunde, wäre Geldwirtschaft die Bezeichnung einer Marktwirtschaft[+], in der Geld eines der an den Märkten ausgetauschten Güter ist. Es wird z.B. Arbeitskraft[+] oder das Eigentum[+] an einem Gut gegen Geld getauscht. In der ersten Bedeutung Handel mit Verfügungsrechten[+] an Geld meint Geldwirtschaft nur Finanzwirtschaft, wobei Verfügungsrechte[+] an Geld gegen Geld getauscht werden, denn der Zins ist der Preis des Geldes. In der ersten Bedeutung ist Geld also nur ein universelles Tauschmittel, nach dem die ganze Wirtschaft benannt wird, während in der zweiten Bedeutung der Handel mit Verfügungsrechten[+] über Geld gemeint ist. Diese Doppeldeutigkeit der Geldwirtschaft lässt viele Menschen Marktwirtschaft[+] mit einer kapitalistischen Wirtschaft verwechseln.

Die Gewinne der Finanzwirtschaft heißen Renditen.

Zu den Strukturen der Finanzwirtschaft gehören sogenannte Finanzintermediäre, deren Dienstleistung es ist, die Anbieter und Leihgeber von Kapital und Nachfrager und Leihnehmer von Kapital miteinander verknüpfen und deren Nutzungsdauern, Nutzungsumfang und Ausfallrisiken zu harmonisieren.

Auch im nicht-finanzwirtschaftlichen Teil der Leihwirtschaft gibt es intermediäre Institutionen, zu denen Verwalter von Immobilien, von Ländereien, von Rechten[+] und von anderen Vermögensarten gehören. Die Bezahlung der Intermediäre der Leihwirtschaft erfolgt auf der Grundlage der Differenz der von den Leihnehmern auf der Aktivseite eingenommenen Zinsen (Mietzinsen[+], Pachtzinsen[+], Leih-, Nutz- und Lizenzgebühren) und der Renditevorstellung der Leihgeber auf der Passiveseite (vgl. Aktiv- und Passivgeschäft[+] bei Finanzinmtermediären).

Weil die Leihwirtschaft insgesamt Zinsforderungen produziert, die sich nicht innerhalb ihrer selbst begleichen lassen, ist die Leihwirtschaft von der Realwirtschaft abhängig und kann ohne sie nicht existieren. Sie bemüht „sich” daher ständig darum, dieses Verhältnis umzukehren und die Realwirtschaft in eine Abhängigkeit von der Leihwirtschaft zu treiben, denn dadurch bleibt die Nachfrage nach Leihgütern aufrecht und der Zins auf entsprechender Höhe, vgl. zum circulus vitiosus in Zins und Gleichgewicht der Bestimmung.

Realwirtschaft

Realwirtschaftliche Unternehmungen und Betriebe beziehen ihre Gewinne aus dem Handel mit Waren und Dienstleistungen. Die Realwirtschaft besteht folglich aus einem Netzwerk von Kauf- und Arbeitsverträgen[+]. Leihverträge sind nicht Teil der Realwirtschaft. In der Realwirtschaft gehen Güter durch Handel vom Eigentumsstand[+] (Kapitalstock) des einen Handelnden in den Eigentumsstand[+] des anderen Handelnden über. In der Realwirtschaft werden ausschließlich reine Eigentumsrechte[+] und Arbeit[+] gehandelt, keine Besitz[+]- und Nutzungsrechte.

Neben dem Faktum, dass die Leihwirtschaft nicht mit Verbrauchsgütern handelt, gibt es einen weiteren, klar zu erkennenden Unterschied zwischen Realwirtschaft und Leihwirtschaft: Die Realwirtschaft betreibt mit der Verwendung von menschlicher und maschineller Kraft Ströme materieller Güter, formt die Bestandteile dieser Ströme mechanisch oder chemisch um und kombiniert sie mit den Bestandteilen anderer Teilströme der Realwirtschaft.

Überblick über die Architektur heutiger Staaten.

Marktwirtschaft und Zentralverwaltungswirtschaft

Unter einer Marktwirtschaft[+] verstehe ich eine Wirtschaft, in der ihre Handelnden innerhalb der rechtsstaatlichen Ordnung[+] über Eigentum[+] verfügen und Verträge miteinander schließen dürfen (Begriff der Privatautonomie[+]). Da der Abschluss von Verträgen und die damit verbundenen Güterströme nicht zentral koordiniert werden, sondern dies dezentral geschieht, bildet die Marktwirtschaft[+] das Gegenteil von der (sozialistischen[+]) Zentralverwaltungswirtschaft[+], in der das Geld im Geldsystem nur eine messende Funktion hat, doch nicht Handlungsanreize im Sinne einer Allokation von Kapital durch Renditeanreize bietet.

Gemein ist Marktwirtschaft[+] und Zentralverwaltungswirtschaft[+], dass sie menschliche Bedürfnisse stillen, wie jegliche Art von Wirtschaft, und Unterschiede bestehen in der Zentralität der Koordination von Güterströmen, wobei in einer Zentralverwaltungswirtschaft[+] die Ordnung[+] in Plänen besteht und das Handeln der die Güterströme erzeugenden Akteure an diesen Plänen ausgerichtet ist, während sich in einer Marktwirtschaft[+] die Güterströme relativ autonom, dezentral und unabhängig von der Zentralinstitution zwischen den Bedürftigen, Nachfragern und Konsumenten und den Herstellern, Anbietern und Produzenten ausbilden.

Der Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler Gunnar Heinsohn[+] weist passend zum Thema Zentralität der Koordination von Güterströmen auf tiefer liegende bedeutsamere Unterschiede zwischen den Systemen hin:

Die Verwechslung von Eigentum[+] und Besitz[+] beherrschte bereits die berühmte Debatte über Sozialismus[+] und Kapitalismus[+], die nach dem 1. Weltkrieg von der österreichischen Schule der Neoklassik mit der Frage initiiert wurde: Ist der Sozialismus[+] wirschaftlich möglich? [Verweis auf F.A. Hayek, Collectivist Economic Planning: Critical Studies on the Possibilities of Socialism, London: Routledge: 1935.] Diese vor dem Eigetum blinde Auseinandersetzung führte zur Verharmlosung des Unterschiedes zwischen beiden Systemen, indem der Sozialismus[+] als «zentral geleitete Wirtschaft» und der Kapitalismus[+] als dezentrale «Verkehrswirtschaft» klassifiziert wurde. [Verweis auf W. Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie[+], Jena: G. Fischer, 1940, S. 93.] Auf zentrale versus dezentrale Wirtschaftspläne schrumpfte die Differenz zwischen beiden Gesellschaften. Die Konsquenz dieses Denkens bestand dann darin, dass der als «Kollektiveigentum» falsch verstandene Staatsbesitz der Sowjetunion und das unstrittige Eigentum[+] unter dem Nationalsozialismus in ihren Auswirkungen auf den Wirtschaftsprozess «nicht wesentlich verschieden» seien. [Verweis auf W. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik (1952), Rowolth, 1959, S. 76 f.] Hier wie dort sei für die Ökonomie[+] entscheidend gewesen, dass die Pläne einer Zentrale und nicht einzelner Betriebe den entscheidenden ökonomischen Einfluss gehabt hätten.
Auch in der modernen neoklassichen Theorie der property rights misslingt beispielsweise die Abgrenzung des modernen Umverteilungsstaates à la Schweden vom realsozialistischen[+] Staat, wenn die Differenz darin gesehen wird, dass die Entscheidungsrechte über Ressourcen bei ersterem von Privateigentümern und bei letzterem von Regierungsbeamten exekutiert würden. Der Gegensatz zwischen beiden Gesellschaften wird auf den Gegensatz zwischen Privateigentum und Staatseigentum reduziert. Wiederum wird nicht gesehen, dass im Sozialismus[+] verkauf- und kreditierbares Eigentum[+] schlicht fehlt. [Verweis auf A.A. Alchian, «Property Rights», in: The New Palgrave Dicitionary of Money and Finance, London: Macmillan, 1992, Bd. 3, Sp. 223a-226a / 225b.] Auch die «Verkäufe» von Häusern, zu denen aus der DDR Ausgebürgerte zu einem staatlich festgelegten Preis gezwungen wurden, standen gerade nicht für freien Verkauf. Die neuen Bewohner erhielten nicht die Dispositionsrechte eines Eigentümers[+] an den Häusern, sondern gewannen wiederum nur den Besitz[+] an ihnen. Grund und Boden blieb ohnehin Staatsbesitz.
Quelle: S. 126f in Gunnar Heinsohn[+] und Otto Steiger, 'Eigentum[+], Zins und Geld', Metropolis, 8. Auflage, 2017.

Man erkennt an dieser Darstellung für wie wichtig Heinsohn den Umgang mit dem Eigentum[+] und die Unterscheidung zwischen Eigentum[+] und Besitz[+] in der Unterscheidung des ökonomischen Systems hält. In einer Marktwirtschaft[+] sind zudem Eingriffe des Staates in die Güterströme sehr viel indirekter. Die Koordination des Wirtschaftsprozesses geschieht über seine Ausrichtung an Rahmenbedingungen, die in einhüllenden Gesetzen bestehen, die die Vertragsfreiheit zwar einschränken, doch nicht soweit aufheben, wie es in einer Zentralverwaltungswirtschaft[+] der Fall ist. Jan Busche[+] schreibt dazu in 'Privatautonomie[+] und Kontrahierungszwang[+]'[1, S. 31, 34, 39, 41, 43]:

In einer marktwirtschaftlich[+] orientierten Wirtschaftsverfassung, bei der die Ziele des wirtschaftlichen Handelns vornehmlich von den Marktbeteiligten formuliert werden, ist eher mit einer Privatrechtsordnung vom privatautonomen Typus zu rechnen, während Wirtschaftverfassungen mit staatsdirigistischen Lenkungselementen eher darauf angewiesen sind, mit heteronom formulierten Zielvorgaben in konkrete Austauschbeziehungen hineinzuwirken.
[...]
Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren gewährleistet, dass jedermann eigene Ziele verfolgen und zugleich auch gesamtwirtschaftlich sinnvolle, mit Entscheidungen anderer koordinierte Entscheidungen treffen kann. In den autonomen Entscheidungen des einzelnen Wirtschaftssubjekts entfalten sich dabei sowohl die Steuerungs- und Ordnungsfunktion[+] des Wettbewerbs, die auf Konsumentensouveränität, eine optimale Faktorallokation und Anpassungsflexibilität abzielt, wie auch die dynamischen Funktionen des Wettbewerbs, als deren wichtigste die Verteilungsfunktion und die Antriebs- oder Leistungsfunktion zu nennen sind.
[...]
In dieser Hinsicht lässt sich daher sehr wohl eine Interdependenz zwischen Privatrechtsordnung und Wirtschaftsverfassung feststellen. Beide Regelungskreise gruppieren sich um das Individuum als autonomen Entscheidungsträger, wobei der den Bereich der Privatautonomie[+] konkretisierende Normbestand gleichsam die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen für die Freiheit[+] des Einzelnen auch auf wirtschaftlichem Gebiet widerspiegelt. Es handelt sich nicht um eine Systemgarantie im wirtschaftsverfassungsrechtlichen Sinne, sondern um Ausübungs-, gleichsam Funktionsgewährleistungen. Der Gesetzgeber hat die Freiheit[+] des einzelnen Bürgers auch bei der Ordnung[+] der Wirtschaft zu respektieren. Es lässt sich daher sagen, dass die dem privatautonomen Typus zuzurechnenden antiautoritären Rechtsordnungen[+] wirtschaftsverfassungsrechtlich das Ordnungsmodell[+] (Sozialen) Marktwirtschaft[+] zulassen, es aber nicht zwingend gebieten.
[...]

Staatsinterventionistische Wirtschaftsverfassungen

[...] Während in den von marktwirtschaftlichen[+] Ordnungen[+] geprägten Staaten der in privatautonomer Verantwortung wahrgenommenen Marktbetätigung einzelner Privatrechtssubjekte systembildende Bedeutung zukommt, vollziehen sich die Austauschprozesse in staatlich gelenkten (feudalen[+] oder totalitären) Wirtschaftsordnungen entsprechend staatsinterventionistischer Vorgaben. Im Unterschied zu marktwirtschaftlich[+] geprägten Wirtschaftsverfassungen gilt nicht der Vorrang der Einzelsteuerung durch unabhängig voneinander handelnde Individuen, vielmehr haben sich diese der Exekution des staatlichen Willens unterzuordnen. Dieser Typus einer Wirtschaftsverfassung entfaltet sich in vollkommener Weise in der Zentralverwaltungswirtschaft[+]. Kennzeichend für diese ist die von einer Zentralinstanz durch einen hierarchisch[+] gegliederten Lenkungsapparat unter Einsatz verbindlicher Direktiven an die Betriebe vermittelte Planung der Güterallokation.
[...]
Führt man den Gedanken eines staatsinterventionistischen Wirtschaftssystems konsequent zu Ende, dann erscheint das Instrumentarium des Vertrags als Ausfluss des Willens zu privatautonomer Rechtsverwirklichung[+] obsolet. Eines rechtsgeschäftlich vermittelten Einflusses von Individuen auf wirtschaftliche Austauschprozesse bedarf es nicht, wenn allein der Staat als Verteiler von Gütern und Dienstleistungen auftritt.
[...]
Da es in einem staatlicherseits instrumentalisierten Privatrechtssystem nicht mehr um die Selbstverwirklichung der Rechtssubjekte[+] geht, das Vertragsrecht vielmehr im Sinne gesellschaftlicher Ziele funktionalisiert ist, kommt der vertraglichen Inhaltsfreiheit auch außerhalb des staatlichen Plansystems von vornherein nur untergeordnete Bedeutung zu. Die Interessenwahrnehmung oder gar Herbeiführung von Austauschgerechtigkeit liegt nicht in den Händen der Parteien. Sie ist Aufgabe des Staates, da nach der Doktrin eines staatlicherseits instrumentalisieren Vertragsrechts die Interessen des Einzelnen notwendig mit den gesellschaftlichen identisch sind, sich nur noch als unselbstständiger Teil des Ganzen erweisen. Das Vertragsrecht ist damit quasi vergesellschaftet.
[...]
Thilo Ramm hat diesen Befund für die Verhältnisse in der DDR mit den Worten zusammengefasst: „Die individuelle Freiheit[+] war die Freiheit[+] des Einzelnen, sich in (den Staat,) die sozialistische[+] Gesellschaft zu integrieren.“.
[...]
Während das Zivilgesetzbuch der DDR die Rechtsbeziehungen[+] auf der Ebene der individuellen Konsumtion zwischen Bürgern sowie Bürgern und Betrieben regelte, waren Regelungsgegenstand des Vertragsgesetzes, das insoweit zugleich als staatliches Leitungs- und Planungsinstrumentarium fungierte, die innerstaatlichen Rechtsbeziehungen[+] der Wirtschaftseinheiten. Das Arbeitsgesetzbuch wiederum hatte die Aufgabe, „die Beziehungen der Werktätigen im Arbeitsprozess[+] entsprechend dem sozialistischen[+] Charakter der Arbeit[+] und den von den Anschauungen der Arbeiterklasse[+] bestimmten Prinzipien der sozialistischen[+] Moral zu gestalten.“
[...]
Während für die den staatlichen Planvorgaben unterliegenden Rechtsbeziehungen[+] eine weitgehende - inhaltlich an den Plan gebundene - Vertragsabschlusspflicht bestand (§11 Abs. 1 S. 1 VertragsG-DDR), galt für die individuellen Konsumtionsbeziehungen jedenfalls formal der Grundsatz der Vertragsfreiheit (§45 Abs. 3 ZGB-DDR). Das privatautonome Handeln war jedoch unter den weitgehenden Vorbehalt seiner Vereinbarkeit mit den staatlicherseits definierten Grundsätzen der sozialistischen[+] Moral gestellt (vgl. §2 ZGB-DDR).

Finanzwirtschaft ist etwas, das es in einer Zentralverwaltungswirtschaft[+] nicht geben kann, denn in einer Zentralverwaltungswirtschaft[+] ersetzt die Zentralinstitution, der Staat, die Allokationsfunktion für Investitionen in Unternehmungen, neue Betriebe oder Restrukturierungen der Wirtschaft, die in der Finanzwirtschaft dem Zins bzw. der projizierten Rendite zufällt (Begriffe der Vermögensallokation, des "Rebalancierung" und des Geldmanagments). Die Allokation von Kapital ist stimuliert durch die Erfolgsaussichten der daraus entstehenden Neuverknüpfungen (neue Kombinationen von Dingen und Kräften, nach Schumpeter[+]), die Unternehmungen dann darstellen, einerseits und die Renditeerwartung der Leihgeber von Kapital andererseits.

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Tim Deutschmann

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