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Negativzinswirtschaft

Negativzinswirtschaft (NZW) ist ein vom amerikanischen Autor Charles Eisenstein geprägter Begriff für eine Volkswirtschaft, welche auf dem Prinzip negativer Zinsen für Spareinlagen und Kredite beruht. Anhand eines kleinen Modells[+][1] beschreibt Charles Eisenstein in seinem Buch 'Die Ökonomie der Verbundenheit, Wie das Geld die Welt an den Abgrund führte - und sie dennoch jetzt retten kann. (2013)' die technische Realisierung des Kreditwesens einer Negativzinswirtschaft. Die Negativzinswirtschaft ist Zins-komplementär zur kapitalistischen Wirtschaft, in dem die Zinsen (Umverteilungskern) überwiegend positiv sind. Eine tiefere Analyse und Kritik des Zinses offenbart, dass die Wirkung des Zinses die Menschheit wahrscheinlich schon seit Jahrtausenden bewegt und spaltet. Vermutlich haben sich die abrahamitischen Religionen an der Frage des Umgangs mit dem Zins gespalten.

Der negative Zins in der Natur: „Alles zerfällt.“ Theologisch: „Nur Gott nimmt Zins.“.
Vom Standpunkt eines Naturwissenschaftlers aus betrachtet gibt es in der Natur bei toter Materie ausschließlich negative Zinsen, „Alles Tote zerfällt.“ (vgl. Würde von Lebewesen).

Der Mensch hat vor tausenden Jahren (nach jüdischer Zeitrechung etwa 3760 v. Chr.) entdeckt, dass er mit dem Zins über seinesgleichen herrschen kann. Mit dem historischen Erscheinen Jesus Christus' wurde zum ersten Mal eine Ökonomie[+] vorgeschlagen, die auf dem Prinzip negativer Zinsen beruht:

  1. Jedem, der dich (um etwas) bittet, dem gib, und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück!
  2. Und wie ihr von den Leuten behandelt werden wollt, ebenso behandelt auch ihr sie!
  3. Denn wenn ihr (nur) die liebt, die euch lieben: welchen (Anspruch auf) Dank habt ihr dann? Auch die Sünder lieben ja die, welche ihnen Liebe erweisen.
  4. Und wenn ihr (nur) denen Gutes erweist, die euch Gutes tun: welchen (Anspruch auf) Dank habt ihr dann? Auch die Sünder tun dasselbe.
  5. Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr (das Geliehene) zurückzuerhalten hofft: welchen (Anspruch auf) Dank habt ihr dann? Auch die Sünder leihen den Sündern, um ebensoviel zurückzuerhalten.
  6. Nein, liebet eure Feinde, tut Gutes und leihet aus, ohne etwas zurückzuerwarten! Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn er ist gütig (auch) gegen die Undankbaren und Bösen.
Menge Bibel, Lukas, Kapitel 6.

Wie im Vers 35 deutlich wird, soll der Zins beim Verleihen zwischen 0% und -100% (Schenken) liegen. Die Ökonomie[+], die daraus entsteht, bezeichnete Jesus[+] als Himmelreich[+] und beschreibt es unter der Benutzung von Bildern und Gleichnissen (siehe z.B. Matthäus Kapitel 13).

Eine Einordnung in die Literatur der Neuzeit, u.a. Karl Marx', Silvio Gesells[20] und Joseph Schumpeters sowie die Berücksichtigung des Niveaus der Leitzinsen[+] in 2015 offenbart, dass es sich bei dem Wort Negativzinswirtschaft um einen Rahmenbegriff handelt, unter dem auch die Wirtschafts- und Gesellschaftsformen 'Sozialismus[+]' und 'Kommunismus[+]' zusammengefasst werden müssen.

In 2015 befinden sich die Schweiz, Dänemark und Schweden am Rande der Wirtschaftsform einer Negativzinswirtschaft[2].

Der Zeitraum[+] des Kapitalismus[+].

Ursachen, Entstehung und Verlauf

Geld ist in einer Volkswirtschaft ein universelles Tauschgut. Geld, wie auch andere verleihbare Kapitalgüter, wird in der Wirtschaft gegen Zins verliehen, wodurch sich die private Geldmenge[+] exponentiell vermehrt, privare heißt rauben. Kapitalleihnehmer sind häufig Unternehmensgründer. Wenn der Kapitalleihvertrag eingehalten wird, ist ein Unternehmen entstanden, das der Gesellschaft Mittel[+] zur Bedürfnisstillung herstellt. Ein Teil der Gewinnmarge des Unternehmers in der Phase der Gründung des Unternehmens ist der Gewinn des Leihgebers in Form des Zinses.

Die Grundregeln des Kapitalismus lauten:

  • Es existiert eine gesellschaftlich weitgehend anerkannte Verteilung von privaten Kapitalien (Kapital). Die Kapitalgüter sind also einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft (den Kapitalseignern) zuordenbar (Eigentum[+]). Das Eigentum[+] wird geschützt. (siehe Artikel 14 GG)
  • Kapital ist gegen Zins (letztendlich wieder Kapital) ver- und ausleihbar. Der von Leihnehmer und Leihgeber verhandelte Zins regelt den Kapitalfluss zwischen der Leihnehmer- und der Leihgeberklasse. Der Zins ist positiv.
  • Verträge sind einzuhalten (pacta sunt servanda[+]).

Juli 2015

Im Zeitraum[+] 1995-2015 sind mehrere der größten Volkswirtschaften des Planeten aufgrund der hohen Staatsverschuldung in die volkswirtschaftliche Situation von Leitzinsen[+] nahe 0 geraten[2]. So sind die Leitzinsen[+] der USA, Japans, Staaten der EU und Israels auf einem historisch niedrigen Stand. Im elektronischen Handel sanken die Renditen kurzfristiger Staatsanleihen[+] Anfang 2015 in den negativen Bereich[3], siehe auch Abschnitt im Wikipedia Artikel über den Negativzins für das Auftreten negativer Zinsen. Die Höhe der Staatsverschuldung hat in den führenden Industrienationen beachtliche Ausmaße ausgenommen. So beträgt die Staatsverschuldung gemessen relativ zum Bruttoinlandsprodukt für einige Industriestaaten Mitte 2015: 245% für Japan, 171% für Griechenland, 133% Italien, 125% Portugal, 106% USA, 102% Spanien und 96% Frankreich.

Die Staaten haben jedoch lediglich Einnahmen aus Unternehmensgewinnen und Einkommen, also aus Vermögenszuwächsen, während hingegen eine Vermögenssteuer, also eine Steuer auf akkumuliertes Vermögen in diesen Ländern überwiegend nicht existiert. Eine Erhöhung der Steuerlast wird in 2013 beispielsweise seitens des BDI ablehnend begegnet[4].

Als logische Fortführung der Geldpolitik[+] der Zentral- und Notenbanken der Niedrigzins-Ökonomien[+] entwickelt sich in 2015 eine Wirtschaftsform, bei der der Zins auf Kapital negativ ist[24]. So haben bereits die Schweiz, Dänemark und Schweden in 2015 negative Zinsen auf Einlagen[2].

Die Grundregeln der Negativzinswirtschaft sind (analog zu obiger Definition des Kapitalismus[+]) folgende:

  • Es existiert eine gesellschaftlich weitgehend anerkannte Verteilung von privaten Kapitalien (Kapital). Die Kapitalgüter sind also einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft (den Kapitalseignern) zuordenbar (Eigentum[+]). Das Eigentum[+] wird überwacht. (dies steht nicht im Widerspruch zu Artikel 14 GG))
  • Kapital ist gegen Zins (letztendlich wieder Kapital) ver- und ausleihbar. Der von Leihnehmer und Leihgeber verhandelte Zins regelt den Kapitalfluss zwischen der Leihnehmer- und der Leihgeberklasse. Der Zins ist negativ.
  • Verträge sind einzuhalten (pacta sunt servanda[+]).

Ursachen der Entstehung

Grober Übersicht über Zinsflüsse[+] in einer Volkswirtschaft.
Während des zweiten Weltkrieges beschrieb Joseph Schumpeter[+] in in Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942) die fortschreitende Selbstzerstörung des Kapitalismus'. Begrifflich erfasste Schumpeter[+] u.a. das Phänomen der Zersetzung der Lebensgrundlage im fortschreitenden Kapitalismus[+] mit der Wortprägung Schöpferische Zerstörung und beschrieb den Sozialismus[+] als natürliche Übergangserscheinung von der Klassengesellschaft des Kapitalismus[+] zum Kommunismus[+]. Marx[+] umriss den Kommunismus[+] als eine klassenlose Gesellschaft, die sich seiner Theorie zufolge anhand konkreter gesellschaftlicher Entwicklungen und Widersprüche zeigen würde.

Top 19 Länder nach Privatvermögen 2000-2013.
Gesellschaftliche Widersprüche werden in 2015 u.a. unter dem Begriff Ungleichheit der Vermögen geführt[16][21]. Andere Widersprüche bestehen in dem Versprechen des Kapitalismus' für eine Zukunft (die Rente) vorzusorgen. Real beobachtet wird in 2015 jedoch nicht ein menschenwürdiger Ruhestand, sondern das Phänomen Altersarmut. Ebenso verhält es sich angesichts der Armut von 6/7 der Weltbevölkerung (Entwicklungs- und Schwellenländer) mit der als grotesk und zynisch erscheinenden Parole Wohlstand für alle: in relativem Wohlstand lebt lediglich 1/7 der Bevölkerung, während der Rest der Menschheit für diesen Wohlstand „schuften“ muss. Diese Verhältnisse finden sich auf allen Skalen der Betrachtung (Grafik). So besaß in Deutschland 2003 das obere Zehntel in der Vermögensverteilung in etwa 46,8% des Nettovermögens und 2012 waren es bereits 57,5%[13][14].

Quelle: Richter Publizistik.

Über sämtliche Ursachen[+] der sog. Schere sind sich Ökonomen allerdings immer noch uneins[5]. Die naheliegendste Ursache[+] der Schere ist jedoch der Zinsmechanismus (Umverteilungskern), wenn der Leihnehmer in der im Mittel[+] unvermögender ist als der Leihgeber[15].

Der Ökonom Thomas Piketty beschreibt in seinem 2013 erschienenen Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert den Hauptmechanismus der Ungleichheit mit der Formel $$ r\gt g, $$ dass also die Rendite $r$ das Wachstum der Volkswirtschaft $g$ übersteigt.

Auswirkungen des Zinsvorzeichenwechsels

Vom Standpunkt der Naturwissenschaften aus betrachtet ist die Negativzinswirtschaft eine natürliche Wirtschaftsform. Natürliche (physikalische) Tauschgüter (z.B. Salz, Edelmetalle, Saatgut) haben aufgrund der Energie- und Massenerhaltung und der Thermodynamik (Entropieänderung[+] ist stets größer oder gleich null, es gibt keine abgeschlossenen Systeme) einen negativen Zins oder höchstens einen Zins von 0 (z.B. Gold).

Georg Simmel[+] schreibt zum Vergleich der Sammel- und Hortungsneigung unter einer kapitalistischen und unter einer „naturalen“ (Negativzins-) Ökonomie und zur Größe der daraus resultierenden Kapitale[1, S. 321]:

Die Stellung des Geldes, insoweit sie seinen Charakter über das bloße Mittlertum hinaus zu einem selbständigen Interesse steigert, will ich nun noch nach zwei negativen Instanzen hin verfolgen.
Die Verschwendung ist nach mehr als einer Richtung dem Geize verwandter als die Entgegengesetztheit ihrer Erscheinungen zu verraten scheint. Es ist hier zu bemerken, daß in Zeiten[+] naturaler Wirtschaft die geizige Konservierung der Werte mit deren Natur, mit der sehr begrenzten Aufhebbarkeit der landwirtschaftlichen Produkte, nicht vereinbar ist. Wo daher deren Umsetzung in das unbegrenzt aufhebbare Geld nicht tunlich oder wenigstens nicht selbstverständlich ist, findet man selten ein eigentlich geiziges Aufhäufen derselben; wo Bodenprodukte unmittelbar gewonnen und konsumiert werden, besteht meistens eine gewisse Liberalität, besonders etwa Gästen und Bedürftigen gegenüber, wie sie das zum Sammeln viel mehr einladende Geld weniger nahe legt; so daß Petrus Martyr die Kakaosäcke rühmt, die den alten Mexikanern als Geld dienten, weil sie nicht lange aufgehäuft und verborgen aufbewahrt werden konnten und also keinen Geiz gestatteten. Ganz entsprechend beschränken naturale Verhältnisse die Möglichkeit[+] und den Reiz der Verschwendung.
Die verschwenderische Konsumtion und leichtsinnige Vergeudung innerhalb derselben haben doch, abgesehen von sinnloser Zerstörung, an der Aufnahmefähigkeit des eigenen und fremder Subjekte ihre Grenze.

Geschichtlich dokumentiert sind Experimente mit negativ verzinsten Regionalwährungen, die teilweise einen spektakulären Verlauf nahmen. Zu nennen sind hier unter anderem das sogenannte „Wunder von Wörgl“. Ideengebend war im Wörgler Experiment das Prinzip des umlaufgesicherten Geldes der Freiwirtschaftstheorie Silvio Gesells, ORF Dokumentation über das Wunder von Wörgl. Seit dem Beginn der Phase historisch niedriger Leitzinsen[+] in den USA 2009 wurde in der Fachwelt sehr konkret über die Auswirkungen und Form einer Negativzinswirtschaft diskutiert[6]. Einige Institutionen begreifen die negativen Zinsen in 2015 bereits als neue Realität[17][18][19].

Maßnahmen an der Null-Zins-Grenze

Die Negativzinswirtschaft[1] ist Zins-komplementär zum Kapitalismus[+]. Eine postkapitalistische Negativzinswirtschaft kann jedoch nicht ohne spezielle Reformen des Bankensystems durchgeführt werden, weil das Absenken des Einlagezinsen in den negativen Bereich zu einer Kreditklemme führen würde. Die im schlimmsten Fall daraus resultierende Liquiditätsfalle[+], Paul Krugman[7] ist durch die Installation einer Umlaufsicherung beherrschbar, siehe auch Abschnitt über Übergangsphänomene. Die Umlaufsicherung wird benötigt, um die Liquidität des Bankennetzes[+] und eine Kontinuität der Versorgung der Wirtschaft mit Krediten sicher zu stellen.

Da Bargeldhaltung bei negativen Zinsen eine unmittelbare Abzinsung der Vermögen verhindert, wird teils heftig[8] über ein Bargeldverbot diskutiert[9][10][22][23]. Anmerkung: Bargeld hat einen Nominalzins von 0 und einen Realzins in der Höhe der negativen Inflationsrate. Begründet werden könnte ein solches Verbot allerdings auch mit dem Hinweis auf die praktizierte Geldwäsche. Als Lösung zur Erhaltung des Bargelds wird eine Bargeldsteuer in die Diskussion eingebracht [11][12] oder eine monoton abwertende Bargeld-Parallelwährung[25].

Zur Sicherstellung der Banken-Liquidität und der Handlungsfähigkeit der Staaten, speziell zur Absenkung der Zinslasten der öffentlichen Haushalte, dient die quantitative Lockerung, bei der die Bilanz der Zentralbank[+] z.B. durch den Aufkauf von Staatsanleihen[+] verlängert wird, siehe Abschnitt über die Liquiditätsfalle. Unmittelbare Auswirkung des Programms ist ein Absinken des Zinsniveaus[+].

Grundrechte

Der Zins greift in das Gleichgewicht der fundamentalen Rechtsgüter[+] der Würde nach Art. 1 GG, der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Privatautonomie[+] nach Art. 2 GG) einerseits und dem Kontrahierungsrecht bzw. -pflicht (§ 241 BGB[+], pacta sunt servanda[+], Verträge sind einzuhalten) andererseits ein. Laut weit verbreiterter Auffasssung von Juristen ist grob gesprochen eine Einschränkung der Privatautonomie[+] eines Kontrahenten nur dann gerechtfertigt, wenn dadurch die Privatautonomien[+] der Vertragschließenden insgesamt vergrößert wird. Insbesondere muss die Einschränkung der Privatautonomie[+] zumutbar sein und ist an gewisse Voraussetzungen, z.B. den grundsätzliche Willen zum Vertragsschluss, geknüpft. Die Beziehung zwischen diesen Grundrechten ist analog zu der der philosophischen Begriffe der Autonomie und Heteronomie. Die Beeinflussung des Gleichgewichts dieser Rechtsgüter[+] geschieht durch Einschränkung, also einen Zwang[+], vgl. Begriff Gleichgewicht der Bestimmung.

Liegen bei einer Bank[+] auf der Passivseite Sparguthaben ein, so führt eine Anhebung des Leitzinses auf einen positiven Wert zu einem Vertragsabschlusszwang (ähnlich wie ein Kontrahierungszwang[+]) bei den angeschlossenen Geschäftsbanken[+] auf der Aktivseite, also im Kreditgeschäft. Da Privatautonomie[+] und Kontrahierungsrecht bzw. -pflicht komplementäre Rechtsgüter sind, ist ein Vertragsabschlusszwang (ähnlich einem Kontrahierungszwang[+]) gleichbedeutend mit einer Einschränkung der Privatautonomie[+] der Geschäftsbank[+]. Diese Autonomieeinschränkung äußert sich darin, dass die Geschäftsbank[+] höhere Kreditzinsen aus ihren Kreditverträgen erwirtschaften muss, sofern sie die Sparzinsforderungen bedienen will. Eine Verweigerung dies zu tun führt zu einem Entzug der Einlagen und damit zu einem Wegbrechen des klassischen, herkömmlichen Geschäftsmodells der Bank[+]. Eine Anhebung der Leitzinsen[+] führt also über die Autonomieeinschränkung indirekt zu einer Anhebung der Kreditzinsen und somit ebenfalls zu einem Eingriff in die Privatautonomie[+] der der Bank[+] zugeordneten Kreditnehmer.

Die Kreditnehmer sind häufig Unternehmensgründer, jedoch werden Kredite auch für die Unternehmensrestrukturierung aufgenommen. Die folgende Grafik zeigt schematisch, wie durch die Autonomieeinschränkung des Unternehmers der Zins aus dem Kreislauf der Wirtschaft gezogen wird.

Die Grafik zeigt eine Unternehmen, welches an 5 Märkte angeschlossen ist. Aus dem Rohstoff-, Arbeits[+], Abfallbeseitigungs- und dem Produktmarkt fließt der Zins durch den Unternehmer, über die Banken[+] in privates Kapital, wenn der Unternehmer nicht optimiert (einspart oder rationalisiert). M = Markt, U = Unternehmen, $z_k$ = Kreditzins, $z_s$ = Sparzins, + = Angebot, - = Nachfrage.
Der Unternehmer optimiert seinen Unternehmensprozess (Einsparung, Rationalisierung) oder er zieht den Zins von den angeschlossenen Märkten. Gegenüber der „0%-Zins-Finanzierung“, welche keine relative Autonomieeinschränkung darstellen würde, ist die Verhandlungsposition des Unternehmers auf den vier anderen Märkten (neben dem Kapitalmarkt) verschoben. In einem geschlossenen ökonomischen System besteht eine existenzielle Abhängigkeit der komplementären Markteilnehmer vom Unternehmer. Über eine entsprechende Einstellung / Haltung bei der Preisverhandlung versucht der Zins-pflichtige-Unternehmer seine Autonomieeinschränkung an die Marktpartner weiter zu geben. Er drückt die Rohstoffpreise, was einen relativen Preisverlust bei den Rohstofflieferanten erzeugt, er drückt die Preise für Arbeit[+] (Lohndumping), er vermeidet die Abfallbeseitigungskosten (Umweltschädigung) oder er erhöht im einfachsten Fall die Produktpreise (Inflation[+]) und nimmt den Zins vom Verbraucher. Es ist zu betonen, dass der Begriff Autonomieeinschränkung sich auf die relative Einschränkung der Autonomie in Bezug auf die „0%-Zins-Finanzierung“ des Unternehmenskörpers bezieht.

Details zu den Zinsflüssen[+].

Banken[+] erwirtschaften ihre Gewinne aus der Differenz zwischen Kreditzinsen (Aktivgeschäft[+]) und Sparzinsen (Passivgeschäft[+]), wodurch bei einer Absenkung des Leitzinses auf 0 die herkömmliche Gewinnmarge der Banken[+] vollständig verschwindet. Aus diesem Grund müssen die Banken[+] in der Niedrigzinsphase mit Maßnahmen der Zentralbank[+] gestützt werden (Vergleich zum Begriff der quantitative Lockerung).

Es kann aus gewissen Gründen jedoch angenommen werden, dass es materielle und ideologische Gründe dafür gibt, dass sich Banken[+] weigern, ihr Geschäftsmodell den veränderten geldpolitischen[+] Bedingungen und im Speziellen der negativen Einlagefazilität[+] der Zentralbank[+] anzupassen. Denkbar ist nämlich, dass Geschäftsbanken[+] der Zahlung der negativen Einlagefazilität[+] an die Zentralbank[+] dadurch vermeiden, dass sie die Einlagen der Sparer als Kredite mit leicht höherem Zins als der Einlagenzins an Kreditnehmer heraus geben. Diese Praxis entspricht dann einem Vollreservesystem[+] bzw. einem Mindestreservesystem[+] mit 100 % Mindestreservesatz[+]. Banken[+] können sich also statt von der Aktivseite von der Passivseite grundfinanzieren oder eben durch gewöhnlich Bank[+]- und Kontoführungsgebühren.

Während bei einer Geldpolitik[+] mit positiven Zinsen die Autonomie der Kreditnehmer gegenüber der Autonomie der Sparer eingeschränkt ist, verhält es sich in einer Negativzinswirtschaft genau umgekehrt: Die Autonomie des Sparers ist eingeschränkt und die Autonomie des Kreditnehmers überwiegt. In der Wahrung seiner Privatautonomie[+] kann der Sparer in einer Negativzinswirtschaft versuchen, einen Kreditnehmer zu finden, der einen höheren Zins zahlt, als der Einlagezins der Bank[+] beträgt. Somit kann er zumindest versuchen, seine Erspartes zu erhalten. Alternativen zu festverzinslichen Anlagen sind demnach variable verzinsliche Geldanlagen wie Unternehmensbeteiligungen in Form von Aktien. Die Wirkung von negativ verzinstem Geld auf die Vermögensverteilung ist eine Umverteilung von angesparten Kapitalien hin zu Kreditnehmern (häufig Unternehmensgründer (sog. „Start-Ups“).

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch noch in 2022 die juristische Auseinandersetzung über die Zulässigkeit[28] und die Höhe von Verwahrentgelten[+][26][29][30]. Während einige private Kläger der Auffassung sind, dass Verwahrentgelte[+] grundsätzlich rechtswidrig seien[27], steht bis anfang Mai 2022 lediglich fest, dass sie zuvor zwischen Geschäftsbank[+] und Kunde vereinbart werden müssen. Nachträgliche, einseitige Vertragsänderungen sind unzulässig. Sind Sparer nicht mit den Verwahrentgelten[+] einverstanden, dann haben Banken[+] das Recht[+] die Geschäftsbeziehung zu kündigen. Sparer müssen sich dann einen anderen Bankdienstleister[+] suchen. Da jedoch immer mehr Geschäftbanken die Möglichkeiten[+] von Verwahrentgelten[+] in ihren AGB[+] festschreiben, befinden sich Sparer eben aufgrund der Negativzinsen genau unter dem Kontrahierungszwang[+], bzw. der Einschränkung ihrer Privatautonomie[+], die ich zuvor grob skizziert habe.

Video: Stand der Dinge in der Frage der Rechtmäßigkeit[+] von Verwahrentgelten[+]. Eine für Neulinge wahrscheinlich interessante Diskussion über den Stand der juristischen Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit[+] von Verwahrentgelten[+], die allerdings leider nur an der Oberfläche der Thematik verläuft. Bisheriges Fazit: Geschäftsbanken[+] dürfen mit ihren Kunden Verwahrentgelte[+] vereinbaren. Gegen den Willen der Kunden können Verwahrentgelte[+] nicht erhoben werden. Im Gegenzug dazu erhalten Banken[+] dann selbstverständlich das Recht[+] der Kündigung der Geschäftsbeziehung. Wer also mit Verwahrentgelten[+] nicht einverstanden ist, der oder die wird sich in Zukunft überlegen müssen, wem er oder sie das Geld anvertraut. Wer ein Konto bei einer normalen Bank[+] halten will, der oder die muss die Verwahrentgelte[+] akzeptieren. Kritik: Systematisch werden die Vorzüge negativer Kreditzinsen verschwiegen, obwohl dies ein sehr interessantes Thema für Verbraucherschützer ist. Daran sieht man wohl sehr deutlich, dass der Öffentlichkeit systematisch das Entscheidende verschwiegen wird. Noch einmal zur Erinnerung: Von den positiven Zinsen profitieren insbesondere reiche Menschen, die ihr Geld einfach bei Banken[+] anlegen und dann von den Zinsen leben. Mit negativen Zinsen und Verwahrentgelten[+] ist dieser faule Traum Geschichte. Dieser Beitrag beweist aus meiner Sicht, dass man auch den Verbraucherschützern, die ja auch Kreditnehmer vertreten, nicht trauen kann, denn sie setzten sich — wie hier offen sichtlich wird — nicht für das Wohl ihrer Kunden ein.

Zeitentwicklung von Vermögen

Zu den am einfachsten nachvollziehbaren Veränderungen in einer Negativzinswirtschaft gehört die Entwicklung von Vermögen. Die im Hauptartikel hergeleiteten Modellergebnisse[+] zeigen, dass

Vermögen Funktion Einkommen Zins Vermögensverfall Funktion Einkommen Zins
Oben: Vermögensentwicklung als Funktion von NETTO-Jahresgewinn und Zins für einen NETTO-Jahresgewinn von 60 Währungseinheiten und unterschiedlichen Zinssätze. Ein Zins von 0 entspricht linearem Wachstum, positiver Zins ist exponentielles Wachstum und negativer Zins liefert beschränktes Wachstum[+]. Unten: Vermögensentwicklung für einen NETTO-Gewinn von 60 Währungseinheiten und einem Anfangsvermögen von 10000 Währungseinheiten.

Eine Zeitentwicklung[+] mit einem Anfangsvermögen von 0 nähert sich dem Sättigungsvermögen $a_\text{sat}$ von unten, während ein Anfangsvermögen oberhalb des Sättigungsvermögens sich diesem exponentiell zerfallend von oben nähert. Der Sättigungswert $a_\text{sat}$ ist proportional zum NETTO-Jahresgewinn $y$ weswegen ein Vermögen ohne Einkommen auf 0 zerfällt.

Der „Berufsstand“ des Rentiers oder auch Privatiers wird also systemisch unmöglich ohne Aufzehr der aufgebauten Kapitalien. Die Zeitentwicklung[+] spiegelt also genau die von Piketty geforderte progressive Einkommenssteuer. Außerdem fügt sich die Vermögensentwicklung auf natürliche Art und Weise in einen beschränkten Lebensraum ein.

Erkenntnisse zur Dynamik der Vermögensverteilung liefert auch eine einfache Simulation des Monopoly-Spiels, das dem Kapitalismus[+] sehr ähnlich ist.

Einfluss auf das Sozialverhalten

Nach eingehender Analyse wird die Umpolung des Zinsvorzeichens eine Inversion belohnter und bestrafter sozialer Verhaltens-Weisen und Werte im Umgang mit Geld bewirken.

Inversion belohnter und bestrafter sozialer Verhaltens-Weisen und Werte im Umgang mit Geld.

Dies ist vermutlich die Bedeutung des Verses Matthäus 20:16

  1. Ebenso werden die Letzten Erste und die Ersten Letzte sein. [Denn viele sind berufen, aber wenige auserwählt.]

Referenzen / Einzelnachweise

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Querverweise auf 'Negativzinswirtschaft'

Tim Deutschmann

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