Einen Moment bitte...

www.tim-deutschmann.de

924 Aufrufe Bewertung

Negativzinskredite und Vernunft

Eines der schwerwiegendsten Argumente der Kritiker einer Negativzinswirtschaft ist der Wegfall eines „Anreizes“ zu „moralisch korrektem“ Verhalten. Die Kritiker verweisen in Bezug zum verwendeten Begriff der Moral auf das Bündel von kapitalistischen Werten, welches sich bei positivem Zins im Verhalten der vertragstreuen Menschen abbildet.

Profitable, im kapitalistischen Sinn vernünftige[+] Mittel[+] sind solche, deren Wert kleiner ist, als der Wert des damit zugänglich gewordenen Zwecks[+]. Diese Mittel[+] haben positiven Urzins[+].

Die Kehrseite der Vernunft positiver Zinsen

In 2015 kann jedoch der positive Zins angesichts der Lage der Welt sicher nicht dafür herhalten, den Menschen vernünftig[+] gemacht zu haben. Man kann sagen, dass der positive Zins den Menschen an die Grenze zur Vernunft[+] bringt. Den letzten Schritt in dieser Transformation muss der Mensch jedoch selbst tun. Der vernünftige[+] Mensch versteht in 2015/2016, dass der natürliche Zins aufgrund der Naturgesetze[+] negativ ist und dass der positive Zins die Regeln eines perversen Spiels definiert, welches auf gar keinen Fall zu lange gespielt werden darf, da es sonst die Würde des Lebens angreift und das Leben zerstört.

Das lateinische Wort pervers bedeutet 'verkehrt herum'. Die zentrale Perversion des Kapitalismus[+] besteht im Vorgang der Kreditvergabe an einen arbeitenden Unternehmer.

Der Preis der Arbeit[+] des Kreditzins zahlenden Unternehmers im Kapitalismus[+] ist negativ. Er gibt Zins für die Arbeit[+], die er gibt.
Dies verletzt das fundamentale Prinzip des Gebens und Nehmens oder, in anderer Formulierung, den Grundsatz quid pro quo (dieses für das). Aus dem dadurch verursachten Ungleichgewicht seitens des Aktiven (des Unternehmers) zugunsten des Passiven (des Sparers, Investors, Anlegers) entsteht eine Sogwirkung auf alles im Handel verarbeit- und verwertbare Lebendige. Die kapitalistische Menschheit mit ihrer arbeitsteiligen Organisation wirkt daher insgesamt wie ein gieriges Lebewesen, das seine Umwelt permanent angreift und vertilgt, eine Lebewesen, welches NETTO von seinem Lebensraum nimmt.

Auf welche Weise dieser Angriff geschieht, wird in der Analyse von Wertschöpfungsketten und der Zusammensetzung von Preisen deutlich. Der Kapitalismus[+] erzeugt durch Autonomieeinschränkung (Zwang[+]) eine große arbeitsteilige Maschine, welche Rohstoffe aus der Umwelt fördert, in der Kette weiterverarbeitet und letzlich einem Endverbraucher zuführt. Die Preise setzen sich aus Gewinnen, Kapital- und Arbeitskosten[+] zusammen, welche an den Stationen entlang der Kette entstehen. Der initiale Rohstofflieferant ist immer die Umwelt. Die am stärksten Begünstigen befinden sich in der Nähe der größten Profiteure dieses Prozesses, die Verlierer und Geschädigten an der Grenze der Maschine zu seiner Umwelt.

In 2015 wird angesichts von globalen Flüchtlingsströmen verursacht durch Kriege, Umweltzerstörung, soziale Armut, wirtschaftliche Perspektivlosigkeit offenbar, dass die „eine kapitalistische Vernunft[+]“ vermittelnde Wirkung von positiven Zinsen als natürliche Grenze die Würde des Lebens hat.

Insgesamt betrachtet existiert ein Widerspruch zwischen dem wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungsstand der kapitalistischen Länder der Welt und seiner Wirkung auf das Gesamtsystem Erde.

Der kapitalistische Denkfehler besteht darin, den Begriff des Urzinses fest mit dem Geldmarkt-Zins zu verknüpfen. Diese Gleichsetzung bedeutete praktisch „ein bestimmtes/r Vernunft[+]-Maß / Wert / Preis“ = Profit Ein Missbrauch dieses Prinzips geschieht nur allzu leicht, wenn der gierige Mensch versucht, den Wert des Mittels[+] durch Ausübung von Zwang[+] kleiner zu machen, als er tatsächlich ist, nur damit der Wert des Mittels[+] kleiner ist als der Wert des von diesem Menschen verfolgten Zwecks[+].
Der im kapitalistischen Sinn „vernünftige[+]“ Mensch richtet sich und seine Umwelt systematisch zugrunde. Der Ursprung dieser Paradoxie liegt letztendlich in der Subjektivität des verwendeten Vernunftbegriffs[+] und insbesondere der Ignoranz der goldenen Regel.

Aufgrund von vertraglichen Zwängen sind sehr viele Menschen am Ende des reifen Kapitalismus[+] nicht mehr frei, gegen das Unrecht einzuschreiten, sondern sind den subjektiven Zwecken[+] einer kleinen Minderheit unterworfen und dienen in ihrer Einbindung in die soziale Maschine (die Matrix), also ihrer Funktion nach der Herstellung von Mitteln[+] zu Erreichung dieser wenigen subjektiven Zwecke[+].

Das Problem ist letztendlich also, dass die subjektiven Zwecke[+] der bestimmenden (autonomen) Menschen der Welt nicht die höchsten Zwecke[+] des Lebens sind. Da es nur sehr wenige aufgrund ihres Reichtums hinreichend handlungsfähige (also selbstbestimmte) Menschen gibt, wird die Gesamtheit der höchsten Zwecke[+] reduziert auf die angestrebten höchsten Zwecke[+] dieser kleinen reichen Minderheit.

Eine natürliche Vernunft

Jedes Lebewesen hat Würde. Es handelt selbstbestimmt aufgrund seiner ihm innewohnenden Vernunft[+]. Das subjektiv als vernünftig[+] empfundene Handeln oder Sein eines Lebewesens ist genau solches, das aufgrund der Erfahrungen die seinem Gedächtnis oder seiner genetisch bedingten Intuition[+] (Instinkt) zur Vermeidung einer seine Existenz gefährdenden Situation führt. Ein vernünftiges[+] Lebewesen nutzt also in der Gegenwart genau solche Mittel[+], die dem Zweck[+] seiner zukünftigen Existenz dienlich sind.

Die Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Wiederherstellung und Einhaltung dieser Grenze der Würde liegt aufgrund der globalen Vermögensverteilung Ende 2015 in der Hand von sehr wenigen Menschen. Es sind bei positivem Zins die Zwecke[+] dieser wenigen Menschen, deren Verfolgung dem Planeten mit Hilfe des positiven Zinses aufgezwungen werden.

Im Licht der Betrachtung und Verfolgung höchster Zwecke[+] aller Lebewesen unter Berücksichtigung der Bestimmung, bzw. der monetären Möglichkeiten[+] soll hier nun theoretisch die Notwendigkeit[+] negativer Zinsen am Rand des erfolgsbedingten Scheiterns (wie die schöpferische Zerstörung, die Paradoxie des Kapitalismus[+]) abgeleitet werden.

Grundlage ist der einfache Vernunftbegriff, nach dem die Herstellung eines Mittels[+] (also die Finanzierung einer Unternehmung) genau dann vernünftig[+] ist, wenn der Wert seines Zweckes[+] die Kosten seiner Herstellung übersteigt.

Investitionen mit negativen Zinsen berücksichtigen, dass viele Mittel[+] in Wahrheit einen höheren Wert haben, als das monetäre Maß ihrer privatisierbaren Zwecke[+]. Der Zins sollte umso negativer sein, je größer der Logarithmus des Wertverhältnisses von Zweck[+] und Mittel[+] ist.
Der Wert der Menge der Zwecke[+] einer großen Menschengruppe (wie eine Kommune, ein Land, ein Währungsraum aber auch die ganze Menschheit) kann auf die gleiche Weise symbolisch dargestellt werden wie der Wert des angestrebten Zwecks[+] eines einzelnen Menschen, nachdem in einem dazu geeigneten demokratischen Prozess ein Konsens über den Wert hergestellt wurde. Die Menschen der betrachteten Gruppe sind jedoch durch ihre Einbindung in die soziale Maschine, also durch ihre Arbeitsverträge[+], anderen Zwecken[+] mit geringerem Wert untergeordnet. Die Menschen selbst sind also Mittel[+] zur Erreichung von Zwecken[+], die insgesamt einen kleineren Wert haben, als die höchsten Zwecke[+] der ganzen Gruppe. Der Wert der als Mittel[+] betrachteten Gruppe von Menschen ist also reduziert auf den Wert der ökonomischen Funktion zur Erreichung der Zwecke[+] der kleinen Minderheit.

Um den Menschen der Gruppe nun die Verfolgung der höchsten Zwecke[+] zu ermöglichen, muss ihre ökonomische Handlungsfähigkeit, also ihre Autonomie, gestärkt werden. Ein negativer Einlagezins setzt die kleine Minderheit von Eigentümern[+] von Geldvermögen in M2 unter einen ungerichteten Handlungszwang. Sie können sich dazu entschließen selbst die höchsten Zwecke[+] aller Lebewesen anzustreben, welche aber nicht unbedingt ihren privaten Zwecken[+] entsprechen. Sie können dies jedoch auch anderen überlassen, indem sie diese in ihrer Autonomie stärken und ihnen einen Negativzinskredit zur Erreichung eines der höchsten Zwecke[+] gewähren. Die Grenze der Hingabe des Zinses ist letztendlich die reale Grenze der Würde des Vermögenden. Der Wert seiner Zwecke[+] muss dabei also möglichst genau gegen den Wert der Zwecke[+] und der Würde aller Lebewesen abgewogen werden.

Aufgrund dessen, dass eine Gruppe von Experten in Bezug auf das öko-sozial Potenzial ihres kollektiven Wissens einen höheren Wert hat, als das Potenzial eines einzelnen wissenden Vermögenden, der auch sonst angesichts der globalen Herausforderungen schnell überfordert wäre, ist die zielgerichtete Vergabe von Negativzinskrediten zur Verfolgung der höchsten Zwecke[+] aller ein systemisch besserer Ansatz. Der Kern der Finanzierung solcher Unternehmungen liegt in der Frage, wie solche Unternehmen refinanzieren.

Bildung des Marktzinses

Bei negativen Einlagezinsen hat der Kreditgeber einen Verhandlungsbias hin zu negativem Zins. Wenn er sein Geld nicht verleiht, wird es mit einem negativen Einlagenzins von $z_s$ abgezinst. Nicht allein der Einlagezins zum aktuellen Zeitpunkt[+] ist jedoch ausschlaggebend, sondern auch der weitere zeitliche Verlauf der Einlagezinsen.

Sind die Einlage/Sparzinsen $z_s$ negativ, dann ist der Eigentümer[+] des Geldes gezwungen eine Anlagemöglichkeit zu finden, die einen höheren Zins abwirft, als der negative Einlagezins. Jeder Kredit-Nehmer, der weniger Geld wegnimmt als die Bank[+] ist geeignet. Interessant sind insbesondere solche Unternehmungen, die insgesamt betrachtet vernünftig[+] sind, jedoch in der kapitalistischen Vergangenheit mangels Finanzierbarkeit nicht durchgeführt worden sind.
Sei der in der Gegenwart projizierte Verlauf zu den Zeitpunkten[+] $t=t_0,t_1,\cdots,t_n$ für einen Zeitraum[+] von $n$ Jahren etwa wie $z_S=z_0,z_1,\cdots,z_n$, dann entwickelt sich das zum Zeitpunkt[+] $t_0$ Vermögen $G_0$ über die Zeit[+] in etwa gemäß $$ G_n=G_0\cdot(1+z_0)\cdot\cdots\cdot(1+z_{n-1})=G_0\cdot\prod\limits_{i=0}^{n-1}(1+z_i), $$ so dass zu den Zeitpunkten[+] $t_n$ die Geldvermögen $G_n=G(t_n)$ sind. Bei dieser gegebenen Projektion der festen Einlagezinsen ist der effektive Zins für eine Geldanlage \begin{eqnarray} z_\text{effektiv}(t_0, t_n)&=& \frac{1}{t_n-t_0}\cdot \log(\frac{G_n}{G_0})\\ &=&\frac{1}{t_n-t_0}\cdot \log(\prod\limits_{i=0}^{n-1}(1+z_i))\\ &=&\frac{1}{t_n-t_0}\cdot \sum\limits_{i=0}^{n-1}\log(1+z_i)\\ &\stackrel{z_i\ll 1}{\approx}& \frac{1}{t_n-t_0}\sum\limits_{i=0}^{n-1}z_i\\ &=&\frac{n\cdot \bar{z}}{t_n-t_0}\\ &\stackrel{t_n-t_0=n}{=}\bar{z}\\ &=&\frac{1}{n}\cdot \sum\limits_{i=0}^{n-1}z_i \end{eqnarray} über einen Zeitraum[+] von $n$ Jahren der mittlere Einlagezins dieses Zeitraums[+].

Jeder verhandelte Zins oberhalb von $\bar{z}$ stellt einen Gewinn gegenüber der festverzinslichen Anlage mit dem projizierten Zins dar. Gilt nun speziell $\bar{z}\lt 0$, und gibt es keine anderen Anlageformen, so besteht die Möglichkeit[+] des Zustandekommens eines Kredits mit einem Zins im Intervall $[\bar{z},0]$, also eines Negativzinskredits.

Bei positivem Kreditzins ist die Privatautonomie (Art. 2 GG) des Leih-Nehmers und um die Höhe des Kredit-Zinses relativ zu seiner Privatautonomie[+] bei einem zinslosen Kredit eingeschränkt. Bei negativem Kreditzins ist dies genau umgekehrt.

Der Negativzins ist ein Preis für die Aufbewahrung von Geld. Der Preis bildet sich durch das Spiel von Angebot und Nachfrage. Die Anbieter der Wert-Aufbewahrungs-Funktion sind die Kredit-Nehmer. Die Nachfrager sind die Sparer bzw. Leih-Geber. Die Preis-Bildung erfolgt wie üblich, wobei der negative Einlagen-Zins die Nachfrage erhöht den Preis (den Negativzins) also nach oben treibt, während eine Anhebung des Einlagen-Zinses einen Rück-Gang der Nachfrage, also sinkende Negativ-Kredit-Zinsen nach sich zieht.

Erwirtschaftung von Negativzinskrediten für Unternehmungen zur Verfolgung höchster Zwecke

Im Lichte der Betrachtung der Anstrebung höchster Zwecke[+] sollten nun genau solche Unternehmen Kredite mit negativem Zins erhalten, welche durch ihre Tätigkeit und durch den Kredit Mittel[+] herstellen, die zur Erreichung der höchsten Zwecke[+] dienen. Kredite an Unternehmungen, die nicht einen der höchsten Zwecke[+] anstreben können ohne Weiteres (nach-wie-vor) positiven Kreditzins haben. Der Zins sollte sogar je positiver sein umso mehr sich die dazugehörigen Unternehmung gegen die höchsten Zwecke[+] richtet, denn guter Konsum soll billig sein und schlechter Konsum teuer.

[...]

Vielen Dank dafür, dass Sie den Artikel bewerten möchten. Es dauert nicht lange.

Beurteilen Sie den Artikel ganz grob, bitte.
Wie ist die Form und Struktur? Ist der Artikel logisch aufgebaut, die Argumente und Begriffe klar und sind die Schlussfolgerungen nachvollziehbar?
Wie ist Ihre emotionale Reaktion auf den Artikel?

Querverweise auf 'Negativzinskredite und Vernunft'

Tim Deutschmann

USt-IdNr.: DE342866832

E-mail: autor@tim-deutschmann.de

Kontaktformular

Keltenweg 22
69221 Dossenheim
Deutschland

Impressum