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Tauschwirtschaft

Der „Urzustand[+]“ der Wirtschaft des Mittelalters[+] und vermutlich auch die Wirtschaftsform im sog. „Urkommunismus“ stellt sich in einfachen Formen von Tauschwirtschaft, der sog. Naturalwirtschaft dar, die anfangs, vor der Entwicklung der Geldwirtschaft und unter der exklusiven Zinsnahme der oberen gesellschaftlichen Schichten überwiegend Subsistenzwirtschaft war[1, S. 42]:

Auch Karl der Große ernährte sich und seinen Hof im Wesentlichen von den Erträgen seines alten Stamm- und Hausgutes, das verstreut zwischen Rhein, Maas und Mosel lag. Jedes »Palatium«, jedes Schloss war - nach einer einleuchtenden Vorstellung von Dopsch[2] - eine Anzahl mehr oder weniger naheliegender Höfe und Dörfer zugeordnet; der Kaiser und König zog in diesem verhältnismäßig engen Bezirk von Pallatium zu Pallatium, sich und die Seinen von den Erträgen der umliegenden Höfe und Dörfer verpflegend. Ein Fernhandel fehlte auch in dieser Zeit[+] niemals ganz: aber es war im Wesentlichen ein Fernhandel von Luxusartikeln, jedenfalls nicht von Artikeln des täglichen Bedarfs. Auch der Wein wurde im Allgemeinen nicht über größere Strecken hin transportiert. Wer Wein trinken wollte, musste ihn in seinem eigenen Gebiet pflanzen lassen und nur den Nächstwohnenden kam allenfalls im Tausch ein Überschuss zugute. Daher gab es im Mittelalter[+] Weinpflanzungen in Gebieten, in denen heute kein Weinbau mehr getrieben wird, weil die Gewächse zu sauer sind oder die Pflanzung zu »unrentabel« geworden ist, etwa in Flandern oder in der Normandie. Daher waren auf der anderen Seite Gebiete, wie die Bourgogne, die wir als eigentliche Weingebiete anzusehen gewohnt sind, noch nicht im Entferntesten so sehr auf Weinbau spezialisiert, viel später. Auch dort musste jeder Bauer, jedes gut bis zu einem gewissen Grade »autark[+]« sein. Selbst im 17. Jahrhundert gab es in der Bourgogne erst elf Gemeinden, in denen jedermann Weinbauer ist[3].
Unablässige Grundbedingung und Voraussetzung für die Rentabilität wirtschaftlichen Handelns im Rahmen der Entwicklung der Geldwirtschaft ist die Produktion von Überschüssen aus der wirtschaftlichen Autarkie[+] heraus. Die wirtschaftliche Autarkie[+] mit nur geringen Überschüssen impliziert also kurze Wertschöpfungsketten, bei denen die Notwendigkeit[+] der Einführung eines universellen Tauschmittels nicht gegeben ist.

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Tauschwertverhältnis

Das Tauschwertverhältnis tritt zutage, wenn der Tausch zweier Güter abgeschlossen ist. Nach dem Tausch stehen einander im subjektiven Wert entsprechende Gütermengen gegenüber: $$ N_1\cdot G_1\leftrightarrow N_2\cdot G_2, $$ wobei $G_i$ die Güter sind und $N_i$ die Stückzahlen bzw. Mengen, so dass unter der Benutzung der formalen Wertfunktion

$W(G)\equiv$ subjektiver Wert des Guts $G$.
für den Tausch (symbolisiert durch $\leftrightarrow$) gilt: $$ N_1\cdot W(G_1)=N_2\cdot W(G_2). $$

Aus dieser Gleichung läßt sich das Wertverhältnis der beiden Güter aus dem Quotienten der ausgetauschten Stückzahlen bzw. -mengen ablesen, z.B.: $$ \frac{W(G_1)}{W(G_2)}=\frac{N_2}{N_1}. $$

Tauschwirtschaft im Gleichgewicht

Man stelle sich vor, wie in einem räumlich begrenzten Gebiet eine Anzahl Menschen lebt. Jeder Mensch habe existenzielle Bedürfnisse an Gütern $G_1$, $G_2$, $G_3$, $G_4$, ..., $G_n$. Da es aber dem Einzelnen nicht möglich ist, all diese Bedürfnisse durch Herstellung der entsprechenden Güter zu stillen, wird in der Gemeinschaft die Herstellung der Güter (die Arbeit) geteilt. Nehmen wir weiter an, die individuelle Grundbedürfnisstruktur sei $$ \{N_{0 1},N_{0 2},N_{0 3},N_{0 4},\ldots,N_{0 n}\} $$ und dass in dem Gebiet $N_\text{Menschen}$ leben. Der Gesamtbedarf an Grundbedarfsgütern (Lebensmitteln) ist also $$ N_\text{Menschen}\cdot\{N_{0 1},N_{0 2},N_{0 3},N_{0 4},\ldots,N_{0 n}\} $$

Unter der Voraussetzung, dass sich der Wert der Güter nicht ändert, dass also unter den Käufern und Anbietern gleiche und zeitlich konstante Wertvorstellungen existieren, gilt für alle möglichen Güter $G_i$ nach den Tauschgeschäften: $$ N_1\cdot W(G_1)=N_2\cdot W(G_2)=N_3\cdot W(G_3)=N_4\cdot W(G_4). $$

Diese zeitlich konstanten Wertvorstellungen ergeben sich zum Beispiel aus der Annahme, dass sich die Bedürfnisse an den Gütern nicht ändern und dass die Güter mit der selben Rate, mit der sie in das Gesamtsystem durch ihre Herstellung eingespeist werden, aus ihm durch Konsum/Verbrauch wieder entfernt werden, dass also $$ \text{Herstellungsrate}=\text{Verbrauchsrate} $$ ist. Wenn diese Bedingung erfüllt ist, dann befindet sich die Tauschwirtschaft in einem Gleichgewicht (Autarkie[+], Subsistenz, „Selbstunterhaltung“).

Entkopplung der Tauschgeschäfte

Das Leben der Menschen der Gemeinschaft läuft nun so ab, dass die Menschen sich zu einem bestimmten vereinbarten Zeitpunkt[+] treffen, um die Dinge des täglichen Bedarfs miteinander auszutauschen. Dazu bringt jeder das von ihm hergestellte Gut mit und tauscht es gegen die anderen Güter seines Bedarfs aus. Ist das ausgetauschte Gut schwierig zu transportieren oder entsteht durch den Transport[+] aufgrund der transportierten Menge ein signifikanter Mehraufwand für einen Güterhersteller, wird dieser versuchen, an einem sich wiederholenden Tag seine Güter auf dem Markt auszustellen.

Ist die Gemeinschaft groß, so bietet es sich auch an, dass an bestimmten Tagen bestimmte Güter auf dem Markt zu Tausch angeboten werden. Gehen die Menschen dann zum Anbieter und nehmen von ihm hergestellte Gut, so muss sich dieser merken, wem er wieviel gegeben hat. Umgekehrt müssen sich die Menschen merken, wem sie wieviel des von Ihnen selbst hergestellten Guts gemessen in Einheiten des geschuldeten Guts schulden.

Diese „Probleme der Bereithaltung von Information“ lassen sich mit Schuldscheinen oder mit einem Schuldschein für ein universelles Tauschgut Geld lösen. Wie das Geld sich auf die einzelnen Güter aufschlüsselt, ist ja in der individuellen Güterbedarfsstruktur gespeichert, die jeder kennt.

Einführung von Geld und Preis

Norbert Elias[+] beschreibt die Einführung von Geld und Preis wie folgt[1, S. 42]:

So langsam verflechten sich die verschiedenen Landschaften, so langsam wird die Kommunikation enger, die Arbeitsteilung[+], die Integration größerer Gebiete und Menschenmassen stärker und stärker dementsprechend auch der Bedarf an Tauschmitteln und Rechnungseinheiten, die über größere Gebiete hin den gleichen Wert haben, an Geld.

Der Zweck[+] der Einführung von Geld ist also, die Informationen die in der Güterbedürfnissstruktur und in den zeitlich inkohärent (asynchron) ablaufenden Tauschgeschäften auftreten raumübergreifend zu verwalten. Dazu emittiert die Notenbank, bzw. die zentrale Münzprägestelle, eine bestimmte Menge bzw. Anzahl von Schuldsymbolen (Scheine oder Geldstücke), eine bestimmte Geldmenge $M$ in die Gemeinschaft, welche als universelles Tauschgut in Tauschgeschäften zur Aufbewahrung von Information verwendet werden können.

Bei der Emission der Geldmenge[+] $M$ werden alle Menschen gleichmäßig berücksichtigt. Der individuelle Betrag ist also $$ N_0=\frac{M}{N_\text{Menschen}}. $$

Nach dem vorgestellten Verfahren kann sich jeder den Preis für ein bestimmtes Gut $G_i$ durch die ihm zugewiesene Geldmenge[+] $N_0$ und die Höhe des Bedarfs $N_{0 i}$ ausrechnen. Wie beim Tauschen bezieht man dabei alle Wertverhältnisse auf das besondere Tauschgut $G_0$, das Geld, und erhält so den Begriff des (Geld-)Preises: $$ \frac{W(G_i)}{W(G_0)}=\frac{N_0}{N_i}. $$ Ist $G_0=1$€, dann ist der Quotient auf der linken Seite also pro Stück von Gut $G_i$, der (Geld-)Preis in €.

Geldfunktionen

Das so eingeführte Geld hat also drei Funktionen. Es soll

  1. als Maßstab für den Wert einer Menge eines Gutes dienen,
  2. ein universelles Tauschmittel sein, das gegen jedes andere handelbare Gut gemäß dem Preis eingetauscht werden kann und
  3. zur zeitweiligen Wertaufbewahrung dienen, um die Tauschgeschäfte zeitlich voneinander zu entkoppeln.

Durch die Möglichkeit[+], dass Tauschgeschäfte nun asynchron (also nicht mehr streng getaktet) ablaufen, erhält die Gemeinschaft also einen Zugewinn von Freiheit[+].

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Tim Deutschmann

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