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15. Oktober 2019

Karen Horney 1937 zu Elementen der Angst

Der Grad des Bewusstwerdens eines Gefühls sagt nichts über seine Kraft oder Wichtigkeit aus. Hinsichtlich der Angst[+] bedeutet dies, dass wir nicht nur ohne es zu wissen, angsterfüllt sein können, sondern auch, dass die Angst[+] der ausschlaggebende Faktor in unserem Leben sein kann, ohne dass diese Tatsache in unser Bewusstsein dringt.

Tatsächlich scheinen wir alles zu tun, um der Angst[+] zu entfliehen oder Angstgefühle[+] zu vermeiden. Dafür gibt es viele Gründe, deren allgemeinster darin besteht, dass intensive Angst[+] einer der quälendsten Affekte ist, die man haben kann. Patienten, die einen solchen Anfall durchgemacht haben, sagen, dass sie lieber sterben würden, als nochmals durch ein solches Erlebnis hindurch zu gehen. Außerdem können bestimmte in dem Angstzustand[+] enthaltene Elemente ganz besonders unerträglich für den Einzelnen sein.

Eines dieser Elemente ist die Hilflosigkeit. Man kann in einer großen Gefahr sich aktiv und mutig benehmen. Aber in einem Zustand von Angst[+] fühlt man sich - und ist es in der Tat - hilflos. Sich hilflos zu fühlen, ist ganz besonders für diejenigen Menschen unerträglich, für die Macht, Überlegenheit und ein Gefühl, jeder Situation gewachsen[+] zu sein, ein ganz besonderes wichtiges Ideal ist. Die scheinbar übertriebene Heftigkeit ihrer Reaktion beeindruckt sie derart, dass sie sie ebenso übelnehmen, als ob es sich um eine Demonstration von Schwäche oder Feigheit gehandelt hätte.

Ein anderes Element, das in der Angst[+] steckt, ist ihre scheinbare Vernunftwidrigkeit[+]. Es zulassen zu müssen, von einem irrationalen Faktor beherrscht zu werden, ist für manche Menschen unerträglicher als für andere. Besonders schwer erträglich ist es für diejenigen, die sich insgeheim davon bedroht fühlen, von einander entgegengesetzten Kräften innerhalb ihrer selbst überwältigt zu werden, weswegen sie sich ganz automatisch dazu erzogen haben, eine scharfe intellektuelle Kontrolle auszuüben. Auf diese Weise werden sie irgendwelche irrationalen Elemente bewusst nicht dulden. Abgesehen davon, dass diese letztere Reaktion individuelle Motivationen enthält, schließt sie auch Kulturfaktoren in sich, insofern, als unsere Kultur großen Wert auf rationales Denken und Verhalten legt und irrationales Verhalten, oder, was als solches erscheinen mag, für minderwertig hält.

Damit hängt zu einem gewissen Grad auch das letzte in der Angst[+] enthaltene Element zusammen; durch die Tatsache ihrer Irrationalität ist in ihr eine Art Warnung enthalten, dass irgendetwas mit uns nicht in Ordnung[+] ist, und dies ist zugleich eine Aufforderung, dieses Etwas zu untersuchen und zu reparieren. Nicht, dass wir dies bewusst so empfänden; jedoch ist es im Grund eine Aufforderung, ob wir sie als solche erkennen oder nicht. Keiner von uns ist darüber sehr begeistert; man kann wohl sagen, dass wir uns gegen nichts so sehr wehren, als gegen die Erkenntnis, dass wir eine Haltung in uns ändern müssen. Je hoffnungsloser sich jedoch ein Mensch in diesem verwirrenden Netz von Furcht und Verteidigungsmechanismus gefangen fühlt und je mehr er sich an den Wahn klammert, in allen Dingen Recht[+] zu haben und vollkommen zu sein, desto eher lehnt er ganz instinktiv jede auch noch so indirekte und leise Andeutung darüber, dass etwas nicht stimmen könne und geändert werden müsse, ab.
Karen Horney[+], Der neurotische Mensch unserer Zeit[+], 1937, Psychosozial-Verlag, III. Kapitel, Angst[+], Seite 44.
Karen Horney (* 16. September 1885 in Blankenese; † 4. Dezember 1952 in New York).

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