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11. Januar 2020

Anregung in der SPD zur Diskussion über die Negativzins-Ökonomie

Ich beantworte Fragen, die sich aus einer Diskussionsanregung ergeben haben. Zunächst meine zur Diskussion anregende E-Mail:

Liebe Genossen,

wie positioniert Ihr Euch in der Ordnungspolitik[+] im Spannungsfeld zwischen (Neo-) Liberalismus[+] und Zentralverwaltungswirtschaft[+]?

Ich frage Euch das als Genosse, weil ich die Auseinandersetzung mit der Thematik für unumgänglich halte. Mit einem neuen Sozialismus[+] ist kein Blumentopf zu gewinnen, aber die Eigentums[+]- und Besitzverhältnisse[+], die die diversen Prekariate bedingen, lösen sich auch nicht von allein. Mindestlöhne, Mietenbremse, Mietendeckel, Grundsicherung und Grundrente sind notwendig, um die elementaren Grundrechte des Einzelnen zu schützen.

Doch kann dieser Neosozialismus eine dauerhafte Lösung sein?

Mein Standpunkt dazu ist, dass wir zu einer Marktwirtschaft[+] übergehen sollten, die sich logisch aus einer Negativzins-Ökonomie[+] ergibt. In einer solchen Ökonomie[+] sind Zinsen auf Guthaben und bei Krediten negativ. Das wirkt in etwa so wie eine Steuer, die nur auf Geldguthaben erhoben (das sind bei den Deutschen etwa 6,6 Billionen €) und dann über die Kredite mit negativem Zins umverteilt wird. Es ist also eine marktwirtschaftliche[+] Lösung, die auch in der EZB[+] seit Langem diskutiert wird.

Welche Art von Ordnungspolitik[+] erfordert diese Art der Ökonomie[+] Eurer Meinung nach?

Mit genossenschaftlichem Gruß,

Ich beantworte im Folgenden Fragen.

Was wären denn aus Deiner Sicht die Vorteile einer Umverteilung über Negativzinsen?

Es gibt zumindest in der SPD einen Konsens über die Notwendigkeit[+] einer Besteuerung von Vermögen. Wenn man sich das Kapital anschaut, so gibt es da sehr große Unterschiede in der Wirkung dieser Besteuerung, die an der Art des Kapitalguts im Vermögen des zu Besteuernden festzumachen sind. Wir kennen z.B. die Diskussion über die Besteuerung von Betriebsvermögen bzw. Produktionskapital. Eine Besteuerung könnte Arbeitsplätze[+] kosten. Andere Kapitalarten sind z.B. Vorräte an Edelmetallen oder Kunstgegenständen. Besteuert man solches Kapital, so greift die Wirkung der Besteuerung nicht über auf das Einkommen anderer Menschen.

Wohl am wenigsten stört eine Besteuerung von Geldvermögen. Betrachtet man nun die Gesamthandlung der Besteuerung durch den Souverän, dann werden die Vermögenssteuern eingenommen und nach Maßgabe durch den politischen Prozess umverteilt. Wo das Geld landet, ist dann das Ergebnis von politischen Wahlen.

Eine Umverteilung von Geldvermögen über eine Negativzins-Geldpolitik[+] ist da, unter gewissen Bedingungen an die Freiheit[+] der Investition (Privatautonomie[+]!), viel demokratischer: Die Banken[+] ziehen die Zinsen ein und verteilen sie über Kredite mit negativen Zinsen um. Der Geldvermögende kann sich dem entziehen, indem er selbst auf die Suche nach Anlagemöglichkeiten geht. Jedenfalls wird er froh sein einen Kreditnehmer gefunden zu haben, der weniger Zins nimmt als der Vermögensverwalter. In welche Unternehmungen und kollektiven Handlungen die Zinsen hineinfließen, ist viel stärker im Selbstbestimmungsbereich der Geldvermögenden und Kreditnehmer und viel weniger zentralstaatlich koordiniert.

Man erkennt, dass Umverteilung von Geldvermögen über eine Negativzins-Geldpolitik[+] eine marktwirtschaftliche[+] Lösung der Krise ist, die insgesamt eine soziale Wirkung hat, so dass sich der Staat ein Stück weit aus seiner sozialen Verantwortung und dem Grund seiner Existenz zurückziehen kann, während eine zentralverwaltungsstaatliche Besteuerung von Geld und anderen Vermögen sozialistische[+] Züge hat, wenn sie nach Maßgabe des politischen Prozesses verläuft. Doch es gibt Mischvarianten, z.B. wenn die KfW[+] aus Steuergeldern bestehende Kredite mit negativen Zinsen gewährt oder wenn es eine Art Lenkungsgesetzgebung bei größeren Investitionen gibt. Was im Hinblick auf die vielen Baustellen die bessere Lösung ist, ob man einen rein marktwirtschaftlichen[+] Weg einschlägt oder ein Mischsystem wählt, muss man sich genau überlegen. Es gibt jedenfalls viel zu tun, und bei Investitionen in Gemeingüter, z.B. die Verkehrsinfrastruktur oder die Gebäude von Schulen und Verwaltung, braucht der Staat Geld, weswegen die Frage ist, wie sich Steuereinnahmen unter einer Negativzins-Ökonomie[+] entwickeln.

Würde das ab dem ersten Euro auf der Bank gelten? Dann wären ja auch sehr kleine Vermögen betroffen.

Ja, ich denke, dass das sinnvoll wäre, denn positive Zinsen gelten auch ab dem ersten €. Warum sollen nicht alle den Negativzins ertragen müssen, wenn doch auch alle positive Kreditzinsen ertragen mussten? Es wäre geradezu grotesk würde es anders gemacht.

Schaut man sich genauer an, wohin denn die Zinsen fließen, dann stellt man fest, dass die kleinsten Sparer paradoxerweise am meisten davon profitieren werden (Eintrag vom 24.08.2019). Entscheidend ist nämlich die Höhe des Sparvermögens einerseits im Vergleich zu den Arbeitseinkommen[+] und den Ausgaben für lebensnotwendige Gebrauchs- und Verbrauchsgüter andererseits, denn letztere werden durch die negativen Kreditzinsen stark beeinflusst.

Nimmt man z.B. ein Geldvermögen eines Mieters und nicht selbstständig Beschäftigten von 10.000€ an und einen Negativzins von -5%, dann sind das 500€ pro Jahr. Wenn die Summe aus dem aufgrund des Anstiegs der Löhne zu erwartenden Zuwachs des Jahresarbeitseinkommens und der aufgrund des sinkenden Kapitalkostenanteils in den Preisen absinkenden Ausgaben für Lebensmittel und der sinkenden Wohnkosten 500€ übersteigt, dann steht am Jahresende insgesamt ein Gewinn unter dem Strich.

Ich habe hier den Kapitalkostenanteil an den Preisen ausgerechnet. Hier habe ich begründet, warum Mieten sinken werden und hier, warum Löhne tendenziell unter einer Negativzins-Ökonomie[+] steigen.

Wie könnte der befürchteten Flucht ins Bargeld begegnet werden? Mit dessen Abschaffung?

Es werden mindestens die folgenden 4 Formen der Umlaufsicherung[+] diskutiert:

Dass man irgendeine Form der Umlaufsicherung[+] braucht, ist nicht alleine nötig, weil Geldvermögen sonst der Umverteilung entzogen werden könnten, sondern auch, weil ja der Realzins ($z_r$) von Bargeld aufgrund der Fisher-Gleichung[+] die negative Inflationsrate[+] ($z_i$) ist, denn der Nominalzins ($z_n$) von Bargeld beträgt 0%, und der Realzins ist stets der Nominalzins abzüglich der Inflationsrate[+] $$ z_r=z_n-z_i. $$

Eine Deflation ist zu erwarten, weil der Fremdkapitalkostenanteil an den Preisen sinkt.

Würden nicht die Besitzer mittlerer und hoher Vermögen das umgehen können, indem sie in Sachwerte investieren z.B. Immobilien und Aktien?

Der Wert von Sachkapitalgütern wie Immobilien und Aktien setzt sich aus dem Herstellungswert zusammen und einem spekulativen Anteil.

Mit dem Herstellungswert verknüpft sind bei bestehendem Sachkapital auch der Wartungs- und Instandshaltungsaufwand, die sog. Abschreibungen. Ich interpretiere die unvermeidlichen Abschreibungen als die betriebwirtschaftliche Darstellung des Negativzinses der Natur, der sich letztlich aus dem Phänomen ergibt, das der zweite Hauptsatz der Thermodynamik[+] beschreibt, nämlich der Zahn der Zeit[+], das natürliche Rotten, Gammeln, Schimmeln, der Verschleiß und die Abnutzung. In Häuser z.B. müssen jedes Jahr Geldsummen hineingesteckt werden, damit der Materialwert erhalten bleibt und in Unternehmen werden Maschinen regelmäßig gewartet.

Der Spekulationsanteil am Wert des Sachkapitalguts hängt von Faktoren und Wertprojektionen ab, die nicht mehr ganz rational erfassbar sind. Bei Immobilien ist das die Lage vor dem Hintergrund der lokalen Bevölkerungsentwicklung, bei Unternehmen der Wert in der Arbeitsteilung[+] der Unternehmen. Den Spekulationsanteil kann man nur schlecht berechnen.

Da jedoch der Erhalt des Materialwerts aufgrund des sich in den Abschreibungen darstellenden Negativzinses der Natur beständig Kompensation erfordert, beschränken in der Sättigung die Abschreibungen die Größe des Vermögens, denn Mietzinsen sinken tendenziell bis zur 0% Grenze, wenn Kreditzinsen negativ werden.

Der Artikel enthält auch die Begründung, warum Profite also auch Dividenden[+] sinken.

Insgesamt habe ich hier gezeigt, dass Vermögen mathematisch nach oben beschränkt sind, wenn auch Geldzinsen negativ werden.

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Tim Deutschmann

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