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Wirklichkeit und Kausalität

Keine (subjektive) Beschreibung von Wirklichkeit kommt aus, ohne den physikalischen Rahmen zu definieren, innerhalb dessen sie ist. Dieser hier in diesem Abschnitt beschriebe physikalische Rahmen definiert nämlich zugleich, was Wirklichkeit nicht ist. Niklas Luhmann[+] verwendet für diesen physikalischen Rahmen in der Sachdimension und der Zeitdimension[+], also in der Raumzeit, wie wir Physiker den Begriff (Ereignis-)Horizont. Luhmann[+] erweitert den physikalischen Horizontbegriff um die Sozialdimension des Sinns, die sich derzeit aufgrund ihrer Komplexität einer rein physikalischen Beschreibung entzieht und Gegenstand der Geistes- und Sozialwissenschaften ist.

Die Antwort auf die Frage, wie die Welt ist, erhält man in Beziehungen zur Welt. Wirklichkeit entsteht in und durch Beziehungen. Die Wirklichkeit wird durch Ereignisse strukturiert. Ereignisse sind beobachtete Wirkungen. Manifestationen, Realisierungen, Abdrücke oder auch Eindrücke von Wirkungen heißen Informationen. Informationen hinterlassen Wissen als Abdruck.

Zu den Begriffen 'Ursache[+]' und 'Wirkung' schreibt Thure von Uexküll[+] 1945 in 'Wirklichkeit als Geheimnis und Auftrag[+]':

Nun liegt im physikalischen Begriff der Wirkung, dass der als Wirkung betrachtete Vorgang auf einen früheren zurückgeführt werden muss. Er ist also Wirkung im physikalischen Sinne nur dadurch, dass er als die Veränderung eines schon bekannten, einer Ursache[+], aufgefasst wird. Da jede Ursache[+] nun ihrerseits wieder die Wirkung einer anderen Ursache[+] ist, und so fort bis ins Unendliche, so bedeutet der physikalische Begriff der Wirkung letzten Endes nichts anderes als die Veränderung einer Veränderung.
Verändern können wir aber nur etwas schon Gegebenes, und wenn der veränderte Gegenstand dadurch nichts Neues werden, sondern nur die veränderte bekannte Ursache[+] bleiben soll, so kann die Veränderung nur quantitativer Natur sein; denn nach jeder qualitativen Veränderung würde die Ursache[+] ja nciht mehr die gleiche bleiben. Darum meint die physikalische Wirkung genau definiert: die quantitative Veränderung einer quantitative Veränderung
S. 62 in Ernesto Grassi und Thure von Uexküll[+], Wirklichkeit als Geheimnis und Auftrag[+], Die Exaktheit der Naturwissenschaften und die philosophische Erfahrung, Verlag Karl Alber, Freiburg im Breisgau, 1945.
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Begriffe

Um die in diesem Buch verwendeten Begriffe Kausalität[+] und Wirklichkeit auf eine mit den physikalischen Grundlagen verträgliche Weise zu definieren, ist eine Möglichkeit[+], die Begriffe aus dem Bereich der Beschreibung toter Materie auf den Bereich sehr viel komplexerer physikalischer Systeme, nämlich sozialer Systeme auszudehnen.

Ereignisse

Als Ereignis kann ein räumlich und zeitlich beschränkter Unterschied (oder auch Differenz, Kontrast, Diskontinuität) zu einem räumlichen oder zeitlichen (kontinuierlichen, andauernden, homogenen) Hintergrund definiert werden. Die Verwendung des Begriffs Unterschied impliziert, dass ein Ereignis als eine Veränderung des räumlichen und zeitlichen Hintergrunds beobachtet wird. Als Hintergrund kann das angesehen werden, was über ein gegenüber dem räumlichen und zeitlichen Intervall des Ereignisses ausgestrecktes homogenes Kontinuum angesehen werden kann, demgegenüber das Ereignis abgesetzt ist.

Zur mathematischen Beschreibung von Ereignissen eignen sich sog. Kastenfunktionen $$ b_{\mathbf{q}_0 \varepsilon}(\mathbf{q})=\left\{\begin{array}{ccl} \frac{1}{\varepsilon} & \text{wenn} & \left|\mathbf{q}-\mathbf{q}_0\right|\lt\frac{\varepsilon}{2} \\ 0 & \text{sonst} \end{array}\right., $$ wobei $\mathbf{q}$ eine Ortsvariable ist und $\varepsilon$ die Breite (das Intervall) des ausgedehnten Ereignisses angibt. Räumliche und zeitliche Kastenfunktionen werden durch ein Produkt kombiniert um das Ereignis in der Raumzeit zu beschreiben. $$ b_{\mathbf{q}_0\varepsilon_q t_0 \varepsilon_t}(\mathbf{q}, t)=b_{\mathbf{q}_0\varepsilon_q}(\mathbf{q})\cdot b_{t_0 \varepsilon_t}(t). $$ Für räumlich oder zeitlich punktförmige Ereignisse vollzieht man für bestimmte Test-Funktionen den Grenzübergang $$ \lim\limits_{\varepsilon\rightarrow 0}\int\limits_{-\infty}^{+\infty}b_{\mathbf{q}_0\varepsilon_q}(\mathbf{q}) f(\mathbf{q})\,d \mathbf{q} \equiv\delta_{\mathbf{q}_0}(f)=f(\mathbf{q}_0) $$ und erhält eine sog. δ-Distribution.

Ereignishorizont und der Begriff des Mediums (die Vermittlung)

Die mathematischen Beschreibung eines Ereignisses enthält eine Ortsangabe (q) und den Verweis darauf, dass ein Ereignis von einem Ort aus beobachtet wird. Die Definition des Begriffes des Ereignishorizontes benötigt ein Abstandsmaß, sowie die Angabe einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wirkungen des Ereignisses. Die Ausbreitung von Wirkungen des Ereignisses heißt Vermittlung und hängt von den Eigenschaften des Raums, des Mediums, ab, in dem sich die Wirkung ausbreitet.

Elementarer Abstand

Die Schreibweise für den Abstand lautet $$ d(\mathbf{q}_1, \mathbf{q}_2)=\left|\mathbf{q}_2-\mathbf{q}_1\right|. $$ In der euklidischen Geometrie lassen sich Abstände über die Wurzeln des Quadrats des euklidischen Abstands zwischen Orten definieren.

Schematische Darstellung des Ereignishorizontes in einem Netzwerkraum (links) und in einem homogenen isotropen Raum (rechts).
Zur Beschreibung sozialer und psychischer[+] Ereignisse in sozialen Räumen, die in der Regel netzwerkartige Strukturen haben, ist es sinnvoller, als Abstandsbegriff die Entfernung zwischen dem Knoten des Ereignisses und dem Knoten des Beobachters zu verwenden.

Für die Ausbreitung von Informationen in sozialen Netzwerken gibt es charakteristische Distanzen, die natürliche Zahlen sind und Netzwerk-Nachbarschafts-Ordnungen[+], kurz Ordnungen[+], heißen.

Elementare Zeitspanne

Für soziale Räume lassen sich charakteristische Zeitspannen[+] angeben, innerhalb derer sich Wirkungen infolge von Kommunikation im Netzwerk ausbreiten. Diese Zeitspannen[+] hängen von der kommunikativen Kopplung (soziale/kommunikative Konnektivität) und der (psychischen[+]) Latenz[+] (systeminterne Konnektivität) zur Weitergabe von Informationen eines Themas miteinander in Kommunikation befindlicher Gesprächsteilnehmer (Kommunikanten) ab. Die hier beschriebene Zeitspanne[+] ist diejenige, innerhalb derer eine Information bezüglich eines Themas, die von einem Kommunikanten $i$ vorgetragen, von einem Kommunikanten $j$ rezipiert (wahrgenommen) und an einen Dritten $k$ weitergereicht und rezipiert wird. Es ist also kurz gesprochen die Zeitspanne[+] die angibt, wie lange es dauert, dass eine gerade verstandene Information durch Kommunikation von einem Nächsten auch verstanden wird.

Ausbreitung und Empfang einer von einem Sender $i_0=i_S$ ausgehenden Information in einem sozialen, in Kommunikation befindlichen Netzwerk. Die Information erreicht den Empfänger $i_4=i_E$ von benachbarten Nachbarknoten.
Diese charakteristische Zeitspanne[+] ist ein Tensor 3. Stufe, da sie vom Kommunikationsverhalten dreier benachbarter Knotenpunkte $i$, $j$ und $k$ abhängt: $$ (i,j,k)\mapsto t_{\text{IT},i\rightarrow j\rightarrow k}(\text{Thema}). $$ Das Kürzel $\text{IT}$ steht dabei für Informationstransfer, und die Zeitspanne[+] des Informationstransfers ist themenabhängig.

Ausbreitungswege

Für elementare Statitionen des Informationstransfers lassen sich Zeitspannen[+] angeben. Wenn Informationen zwischen im Netzwerk weiter voneinander entfernt liegenden Knotenpunkten ausgetauscht werden, $$ i_S=i_0\rightarrow i_1\rightarrow \cdots \rightarrow i_N\rightarrow i_{N+1}=i_E, $$ wobei $N$ die Anzahl der Wegstationen entlang der Informationsausbreitung ist, addieren sich die Zeitspannen[+] zu einer vom Weg abhängigen Gesamtdauer: $$ t_{\text{IT}, S\rightarrow E}(\text{Weg}, \text{Thema})=\sum\limits_{i=1}^N t_{\text{IT}, i-1\rightarrow i\rightarrow i+1}(\text{Thema}). $$ Schließlich kann für alle möglichen Kommunikationswege die Zeitdauer[+] angegeben werden, die eine Information mindestens braucht, um von einem Sender $S$ zu einem Empfänger $E$ zu gelangen. Diese wegunabhängige Zeitdauer[+] ist: $$ t_{\text{IT},S\rightarrow E}(\text{Thema})=\min\limits_{\text{Weg}\in\text{Wege}}\{t_{\text{IT},S\rightarrow E}(\text{Weg}, \text{Thema})\}. $$

Ausbreitungs-, Vermittlungs- oder Übertragungsgeschwindigkeit

Gemäß der in der Physik üblichen Definition der Geschwindigkeit $$ v=\frac{\delta d}{\delta t} $$ ist die Ausbreitungs-, Vermittlungs- oder Übertragungsgeschwindigkeit $$ v_{\text{IT}, i j k}(\text{Thema})=\frac{1}{t_{\text{IT}, i j k}(\text{Thema})}, $$ hat also die physikalische Dimension einer Frequenz. Für die Formelgröße $\delta d$ in der Definition der Geschwindigkeit ist für den Fall sozialer Räume im Grenzfall $\delta d=1$ zu wählen. In global homogenen und isotropen Räumen wie einem leeren von Gravitationsfeldern[+] freien Raum, in dem sich Licht ausbreitet, ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Informationen (Wirkungen) eine Konstante des Mediums.

Schematische Darstellung des Ereignishorizontes bzw. der Kausalform der Gegenwart für einen global isotropen Raum.
Im allgemeinen Fall lokal inhomogener und anisotroper Medien ist die $v_{\text{IT}, i j k}$ eine Funktion der Raumkoordinate und in zeitlich nicht konstanten Medien auch der Zeit[+].

Die physikalische Obergrenze einer Übertragungsgeschwindigkeit ist die Lichtgeschwindigkeit. Konsistent dazu ist die alle Kausalformen einer Gegenwart einhüllende Kausalform die eines lichtartigen Ereignisses am Raumpunkt der Gegenwart. Für isotrope Räume ist diese einhüllende Kausalform kegelförmig.

Die für Menschen relevanten physikalischen Medien sind die Atmosphäre, in der sich Schall, Licht aber auch Kälte und Wärme ausbreiten. Menschen sehen, hören und fühlen. Bei physischem[+] Kontakt mit fester oder flüssiger Materie im den Menschen umgebenden Raum finden ereignen sich auch physische[+] Informationen.

Der Ereignishorizont für Licht, Schall und ähnliche optische bzw. mechanische Wellen ist nahezu kegelförmig, wenn ihre Intensität (der Kontrast zum Hintergrund) von der Raumrichtung unabhängig ist. Der physikalische Begriff für solche Ereignisse lautet Kugelwelle. Im Zentrum dieser Kugel befindet sich das ursächliche Ereignis, und die Orte der Wirkung dieses Ereignisses befinden sich auf der Oberfläche einer mit der Zeit[+] im Radius anwachsenden[+] Kugel. Die Oberfläche der Kugel heißt im Zusammenhang mit Kugelwellen Wellenfront.

Kausalität, Wenn-dann-Ereignisfolgen

Unter Kausalität[+] versteht man den Zusammenhang zwischen bestimmten selegierten Ereignissen innerhalb des (Wirkungs) Horizontes und zeitlich vorweg gegangenen, den Wirkungshorizont erzeugenden, Ereignissen.

Von einer Kausalbeziehung zwischen den Ereignissen spricht man, wenn das Auftreten der zeitlich vorweg gegangenen Ereignisse die innerhalb des (Wirkungs-) Horizontes liegenden selegierten Ereignisse bedingen. Die zeitliche vorweggegangenen Ereignisse heißen dann Ursache[+] und die innerhalb des Wirkungshorizontes der Ursache[+] liegenden selegierten Ereignisse Wirkung. Das dann, die Kausalität[+], schränkt also die Wirkung auf alle nach der Ursache[+] auftretenden, innerhalb des Ereignishorizontes liegenden Ereignisse auf diejenigen Ereignisse ein, die eintreten, weil die Ursache[+] gegeben ist bzw. die nicht eintreten, wenn auch die Ursache[+] nicht eintritt.

Beispiele für kausale Zusammenhänge

Das Gehirn bildet im Lauf der Zeit[+] Heuristiken über kausale[+] Relationen. Z.B. lernt jedes Kind im Laufe der Zeit[+], dass Dinge, die mit der Hand festgehalten werden, auf den Boden herunter fallen, wenn man sie loslässt. Die Übertragung des kausalen[+] Zusammenhangs des Loslassens eines in der Hand befindlichen neuartigen Gegenstand und seinem Aufschlagen auf dem Boden geschieht schon fast automatisch. Wie überrascht wäre wohl ein Mensch, würde er einen schweren Gegenstand loslassen und er fiele nicht auf den Boden, sondern schwebte davon?

Die kausalen[+] Zusammenhänge können sehr große Komplexität annehmen, wenn eine Wirkung wieder eine neue Ursache[+] ist, die wiederum eine andere Wirkung zur Folge hat. Das Spiel „Domino-Ralley“ ist ein schönes Beispiel für eine lange jedoch im Grunde wenig komplexe Kausalkette.

Um ein weiteres Beispiel zu geben, denke man an eine Schnur, die mit einem Ende an einer Zimmerdecke hängt und an der ein Gegenstand befestigt ist. Lässt man den Gegenstand in einer Lage auf der Fläche, auf der sich der Gegenstand bewegen kann neben und über dem Tiefpunkt los, so besteht darin eine Ursache[+] für die darauf folgende Bewegung. Der Gegenstand nimmt Geschwindigkeit auf und schwingt durch den Tiefpunkt (Wirkung). An diesem Raumpunkt ist die Bewegung ursächlich dafür, dass sich der Gegenstand, nun zu der dem Startpunkt bezüglich des Tiefpunktes gegenüber liegende Seite hin bewegt. Ist wiederum der höchste Punkt erreicht, so ist dies die Wirkung der Bewegung durch die Gleichgewichtslage, Wirkung des Loslassens des Pendels am Anfang und wieder neue Ursache[+] für das Schwingen in die entgegengesetzte Richtung. Wirkung und Ursache[+] kehren sich beim Pendel also ständig ineinander um.

Schwieriger wird es, wenn man sich Prozesse anschaut, deren Wirkungen verzweigen, wieder ursächlich werden und sich so räumlich und zeitlich ausbreiten. Die einfache Ursache[+], einen Tropfen in Wasser fallen gelassen zu haben, hat eine hoch komplexe Wirkung zur Folge. Das filigrane Gebilde, das aus der Verteilung der Flüssigkeit des Tropfens entsteht, war am Anfang des Prozesses ein kugelförmiger Tropfen.

Kettenreaktionen, Resonanzen und der Begriff der Rückkopplung

Ein besonderes Phänomen ereignet sich, wenn die aus einer Ursache[+] hervorgehende Wirkung auf die Ursache[+] zurückwirkt. Bei dieser Rückwirkung sind zwei gegensätzliche Phänome unterscheidbar. Von positiver Rückkopplung[+] („Mitkopplung”) spricht man, wenn die Rückwirkung die Ursache[+] verstärkt. Das daraus resultierende Phänomen heißt bei schwingungsfähigen Systemen Resonanz[+]. Von negativer Rückkopplung[+] (Gegenkopplung) spricht man hingegen, wenn die Rückwirkung der Ursache[+] entgegenwirkt, sie also dämpft.

Als weiteren Begriff zur Beschreibung sozialer Phänome benenne ich hier den Begriff der Kettenreaktion. Eine Kettenreaktion liegt vor, wenn eine Wirkung Ursache[+] einer weiteren Wirkung, die wiederum zur Ursache[+] einer weiteren Wirkung wird. Die sich zeitlich und räumlich ausbreitende kausal[+] verkettete Abfolge von Ereignissen heißt Kettenreaktion, wenn sich der Ort der Wirkungen räumlich immer weiter vom Ort der ersten Ursache[+] weg verlagert. Der Unterschied zwischen einer Kettenreaktion und einem System mit positiver Rückkopplung[+] ist also, dass die Wirkung nicht auf die erste Ursache[+] zurückwirkt, sondern Ursache[+] an einem anderen, meist unmittelbar nahen Ort wird.

Schließlich sind die konvergente Beziehungen Systeme mit positiver und divergente Beziehungen sind Systeme mit negativer Rückkopplung[+]. Die Vergenzfunktion gibt dabei die Kopplungsstärke an.

Kausalität, Logik, Kausalnexus, Kausalform und Ereignishorizont

Die ausgesprochene Weltanschauung und -auffassung eines Menschen kann, zumeist wenigstens streckenweise, als logisch konsistentes Gedanken- und Aussagengebäude angesehen werden. Die logische Folgerung ist darin ein verbindendes Element, das letztendlich physikalische und im Speziellen sozio-ökonomische Kausalität[+] abbildet. Logisch ist, was in einem kausalen[+] Zusammenhang zu den Voraussetzungen steht, was also Wirkung mit Ursache[+] verbindet.

Als den Kausalnexus[+] einer Ursache[+] bezeichne ich im Folgenden alle Phänomene bzw. ihre sprachlichen Darstellungen, die kausal[+] mit der Ursache[+] im Zusammenhang stehen. Mit Kausalnexus[+] einer Ursache[+] sind also sämtliche Wirkungen gemeint, die aus einer Ursache[+] folgen. Sprachlich (nominal, benannt) wie real besteht der Kausalnexus[+] aus Strängen oder Wirkungskanälen, entlang derer sich die Wirkungen der Ursache[+] ausbreiten. Die Stränge sind Teil einer Struktur, entlang der Wirkung stattfindet.

Der oben verwendete Begriff der Kausalform einer Ursache[+] ist in Bezug auf ein Medium innerhalb dessen sich Wirkungen ausbreiten der Rand einer Punktmenge der Raumzeit, die aufgrund der Endlichkeit der Ausbreitungsgeschwindigkeit nicht in kausalem[+] Zusammenhang stehen können mit der Ursache[+]. Ereignisse, die außerhalb der Kausalform auftreten, sind akausal[+] zur Ursache[+] des Kausalnexus[+]. Umgekehrt befinden sich alle bewirkten Ereignisse, also die Elemente des Kausalnexus[+], innerhalb der Kausalform.

Ein Kausalnexus[+], der in mehreren unterschiedlichen Medien gleich vorhanden ist, hat für jedes Medium eine Kausalform. Die Kausalformen der unterschiedlichen Medien liegen schalenartig in einander und um die Ursache[+] herum. Der äußerste Kausalform ist der physikalische Rand, der durch die Lichtgeschwindigkeit und die Raumzeit als Medium bedingt ist. Die entsprechende Kausalform heißt Ereignishorizont.

Die physikalische Dualität der Wirklichkeit

Da der Zweck[+] der bisherigen Ausführung ist, einen physikalischen Rahmen der Wirklichkeit zu bestimmen und einen Analogieschluss[+] vom physikalischen auf den geistesphänomenologischen Wirklichkeitsbegriff durchzuführen mache ich hier ein Sprung um sage, was neben den physikalischen Gegebenheiten auch zum Begriff der Wirklichkeit gehört. Es wird erkennbar sein, dass sich Teile des physikalischen Wirklichkeitsbegriffes im geisteswissenschaftlichen Begriff spiegeln.

Passive und aktive Wirklichkeit. Der Modus bezieht sich auf die Einflussmöglichkeiten des wahrnehmenden Gehirns.

Das, was die meisten Menschen als Wirklichkeit bezeichnen, ist eine Konstruktion des menschlichen Gehirns. Die Wirklichkeit hat zwei Seiten, die einen bedeutenden „Überlapp“ besitzen. An das Gehirn sind all unsere Sinnesorgane angeschlossen, die die elektrische Reize verursachen und die im Gehirn durch Kombination mit dem Gedächtnis eine Wahrnehmung erzeugen. Die Sinnesreize entstehen durch die Existenz in der Umwelt und werden durch das Gedächtnis entsprechend der jeweils eigenen Wirklichkeitsauffassung rezipiert, passive Wirklichkeit. Die passive Wirklichkeit ist also die Wirkung der Umwelt, also der Handlung Anderer und der übrigen Geschehnisse auf das Selbst.

Anderseits ist Wirklichkeit das Produkt unseres eigenen Tuns (aktive Wirklichkeit). Wir wirken durch das, was wir tun auf die Umwelt ein. Die Entscheidung darüber, was wir tun bildet sich im Selbst aus einem Vermittlungsprozess zwischen Über-Ich[+] Strukturen des Gedächtnisses und Reizen aus dem Es (Ich-Prozess).

Die beiden Seiten der Wirklichkeit beziehen sich also auf die Lage von Ursache[+] und Wirkung. In der passiven Wirklichkeit liegt die Ursache[+] (überwiegend) außerhalb des Selbst, die Umwelt wirkt also auf das Selbst, während in der aktiven Wirklichkeit das Selbst Ursache[+] ist und auf die Umwelt wirkt. Im Vergleich zum Begriff des Ereignishorizont eines isotropen Raums ist der passiven Wirklichkeit der Kegel der Vergangenheit zugeordnet. Im Selbst finden Wirkungen statt, deren Ursachen[+] in der Vergangenheit und in der Umwelt innerhalb des Ereignishorizonts liegen. Die aktive Wirklichkeit ist hingegen dem Kegel der Zukunft zugeordnet. Das Selbst ist Ursache[+] und Wirkungen finden im Selbst und/oder in der Umwelt und in der Zukunft innerhalb des Ereignishorizonts statt.

Die aktive und die passive Wirklichkeit sind nicht scharf zu trennen, weil wir Teil der Umwelt sind. Im Überlapp der beiden Wirklichkeitsbegriffe besteht unsere „Ankopplung“ an „die“ Welt. Den Überlapp (Zusammenhang) zwischen aktiver und passiver Wirklichkeit nennt man auch Selbstreferenzialität. In diesem Überlapp besteht die Möglichkeit[+] das eigene Handeln zu reflektieren, also die Folgewirkung des Ursächlichseins[+] zu beobachten und auf Grundlage der Erfahrung auf Wirkungen zu reagieren, deren Ursachen[+] in der Umwelt liegen.

Hier muß ich nun eine sehr ketzerische Behauptung aufstellen und zwar die, dass die Physik auch dort, wo sie dort, wo sie rein theoretisch vorgeht, niemals etwas mit «reiner Erkenntnis» zu tun hat, sondern dass sie immer etwas ganz anderes will, etwas, das man mit «technisch-praktischem Erkennen» bezeichnen könnte. Um diese Behauptung zu begründen, genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass alle Ergebnisse der theoretischen Physik früher oder später ins Praktische münden, dass früher oder später alles, was der Theoretiker denkt oder rechnet, in den Büros der Technik praktische Anwendung findet. Dagegen sollte die Tatsache, dass die Denkoperationen eines Theoretikers erst dann bewiesen sind, wenn sie im Experiment «praktisch», d.h. mit menschlichen Mitteln[+] nachgemacht werden können, den Verfechtern der Theorie von dem Streben der Physik nach «reiner Erkenntnis» doch zu denken geben.

Das Erkenntnisstreben des Physikers kann nämlich deshalb nie «rein» sein, weil der Begriff der Erkenntnis für ihn einen ganz anderen Inhalt hat, als beispielsweise in der Philosophie. Wenn wir sagen, das Erkenntnisstreben des Physikers sei seinem Wesen nach «technisch-praktisch», so heisst das, dass für ihn ein Vorgang erst dann «erkannt» ist, wenn er ihn mit menschlichen Mitteln[+] nachmachen kann. Ob das theoretisch im «Gedankenexperiment» oder praktisch im Laboratorium geschieht, ist dafür völlig gleichgültig. Die Einstellung zu den Phänomenen der Welt, die Haltung, in der er an sie herantritt, ist in beiden Fällen die gleiche. Sie gründet sich auf die Vorstellung, dass nur das Anspruch auf «Wirklichkeit» im physikalischen Sinne machen darf, was wenigstens im Prinzip vom Menschen nachgemacht werden kann. Ein Vorgang ist also erst dann physikalisch «erkannt», wenn wir ihn in allen Phasen do übersehen, als ob er im Laboratorium des Physikers abliefe.

Der praktische Inhalt des physikalischen Erkenntnisideals kommt in dem deutschen Wort «Wirk-lichkeit» überraschend zum Ausdruck, wenn man darunter den Bereich versteht, der alles das enthält, was der Mensch wirken oder bewirken kann. Die Haltung, in der ein Mensch als Bewirkender der Welt gegenüber tritt, ist aber eine ganz besondere, und auch die Welt, in der er wirken kann, muss eine besondere Ordnung[+] aufweisen. Bewirken, das heißt auf ein bestimmtes Ziel hin tätig sein, können wir nur in einer Welt, in der die festen Beziehungen zwischen Ursache[+] und Wirkung herrschen. Will ich nämlich eine bestimmte Wirkung erzielen (bewirken), so muss ich die Ursache[+] kennen, mit der ich diese herbeiführen kann.
S.25 in Ernesto Grassi und Thure von Uexküll[+], Wirklichkeit als Geheimnis und Auftrag[+], Die Exaktheit der Naturwissenschaften und die philosophische Erfahrung, Verlag Karl Alber, Freiburg im Breisgau, 1945.
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Tim Deutschmann

USt-IdNr.: DE342866832

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