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28. August 2021

Paul Kirchhofs YouTube-Beitrag zu den Negativzinsen bei Mission Money

Meine Tagesroutine beginnt allmorgentlich damit, die Neuveröffentlichungen auf YouTube und anderen Kanälen der sozialen Medien zum Thema 'Negativzinsen' zu sichten und einzuordnen. Den Löwenanteil machen dabei die üblichen Verdächtigen aus dem rechts-libertären[+] Bereich aus, die ich aufgrund ihrer eigennützigen und hysterischen[+] Schwarzmalerei gerne auch als „Untergangs-Propheten” bezeichne. Ein bisschen nüchterner, aber nicht weniger alarmistisch und doch erkennbar hilflos ist es hier nun der Staatsrechtler[+] Prof. Paul Kirchhof[+], dessen Stellungnahme zu seinem Buch über die Negativzinsen mir Anlass gibt, seine Aussagen zu kommentieren. Dabei konzentriere ich mich auf aus meiner Sicht problematische oder gar falsche Aussagen und Bilder (Analogien[+]).

Der Staatsrechtler[+] Prof. Paul Kirchhof[+] erörtert im Interview mit dem Kanal 'Mission Money' seine Position zum Thema Negativzinsen.
Beginn der Bezahlwand

Kommentierung

Mal davon abgesehen, dass die Zentralbank[+] im Allgemeinen allen Teilnehmern des Währungsraums und im Speziellen nicht allein den Sparern, sondern auch den Kreditnehmern gegenüber verantwortlich ist, stellt Kirchhof[+] einleitend gleich richtig fest, dass es kein Grundrecht auf Zinsen o.Ä. gibt. Vielmehr bildet sich („emergiert”) der Zins als ein Preis für den Besitz[+] von Geld an den Märkten. Seine Analogie[+] zwischen dem Weinanbau und der Geldwirtschaft hinkt gewaltig, denn beim Wein gibt es große Unterschiede, während Geldmengen[+] genau dann exakt identisch sind, wenn ihr Betrag gleich ist. Den Sparer als Winzer zu betrachten, der viel Arbeit[+] in die Herstellung eines guten Weins steckt, enthält die subtile Lüge, dass der Sparer irgendetwas an Arbeit[+] leistet, um den Zins zu erhalten.

Geld arbeitet nicht, sondern Geld lässt arbeiten

„Der Geldeigentümer hat Kapital, das arbeiten soll, das Ertrag bringen soll,...“

Es ist ein weit verbreitetes Märchen, dass das Kapital arbeitet. Vielmehr lässt sein Eigentümer[+] durch Verkauf an Verfügungsrechten[+] am Kapital Besitzer[+] zu seiner Vermehrung um den Zins arbeiten. Das Kapital arbeitet also nicht, sondern es lässt arbeiten!

„... und jetzt macht die europäische Zentralbank[+] eine Geldpolitik[+], die diese Ertragsquelle bewusst verschüttet.“

Hier bedient nun leider auch Paul Kirchhof[+] die Falschbehauptung, das Zinsniveau[+] sei eine Folge der Geldpolitik[+] der EZB[+]. Richtig ist jedoch, dass man schon seit den 1980er Jahren einen systematischen und gleichmäßigen Abwärtstrend bei den Zinsen und den Anleihenrenditen[+] beobachtet. Da in den letzten 40 Jahren die Zinsen immer systematisch über Null lagen - das System heißt Kapitalismus[+] -, ist die Ursache[+] für die Negativzinsen im Zinsmechanismus selbst zu suchen, nicht bei den Zentralbanken[+], die mit ihrer Geldpolitik[+] das an den Märkten emergente[+] Zinsniveau[+] abbilden. Ich will mich in der Begründung dieses Phänomens nicht wiederholen, sondern verweise auf die ersten Folien in meinem Vortrag 'Kapitalismus, Sozialismus und das Königreich Gottes' auf die einschlägigen Referenzen, Stichworte Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate[+] und Sparschwemme[+].

Auffällig ist, dass Kirchhof[+] die Welt überwiegend durch die Augen des (bei positivem Zins schmarotzenden) Sparers sieht und eben nicht durch die Augen des arbeitenden Winzers und anderer Menschen, die ihr Einkommen aus dem Verkauf (der Produkte) ihrer Arbeitskraft[+] beziehen. Er sieht (um 2:03) den Sparer (Privatier, Rentier) sogar als „Beruf” an, was eine schwere Beleidigung aller Arbeitstätigen[+] ist.

Leugnung der Gefährdung der Stabilität und des Vertrauens durch Fortsetzung des Zinsnehmens

Unterschlagen wird leider auch die Frage, wie Inflation[+] entsteht und wie sie also im Hinblick auf den Fremdkapitalkostenanteil im Preis und das Anwachsen[+] der Geldmenge[+] (wachsende[+] Nachfrage) mit dem Zinsniveau[+] zusammenhängt. Es fehlt ebenso die Erörterung, wie das über alle Grenzen der Menschenwürde fortgesetzte Zinsnehmen mit der Stabilität des Währungsraums zusammenhängt, etwas, das doch wohl gerade einen Staatsrechtler[+] geradezu brennend interessieren sollte. Er kann nicht wollen, dass gegen Ende des perversen Prozesses die Wahrscheinlichkeit des Entstehens und Platzens von Blasen enorm zunimmt, wenn mehr Zinsen genommen werden wollen, als hergegeben werden können! Die Folgen nicht eingehaltener Verträge, des Bruchs des Vertrauens in die Rechtsordnung[+] des Systems und der Bruch des Rechtsstaatsprinzips[+] können einen Staatsrechtler[+] unmöglich kalt lassen.

Ein Gefühl für die Zinsabhängigkeit der Stabiliät des Hauses als Funktion der Phase des kapitalistischen Prozesses (Einhaltung von Verträgen und Gesetzes vs. Geldmengenwachstum[+] durch positive Zinsen) entwickelt man, wenn man sich die Verteilung von Eigentümern[+] und Besitzern[+] im Schichtmodell einer kapitalistischen Ökonomie[+] bewusst macht, vgl. Eintrag vom 23.04.2021. Gegen Ende des kapitalistischen Prozesses an Wahrscheinlichkeit zunehmend überzogene Renditeerwartungen machen den Bau marode, wenn Besitzer[+] (Kreditnehmer und analog Mieter, Pächter, Leihnehmer und Schuldner i.A.) die Zinsen nicht mehr hergeben können und der Kredit bzw. die Investition ausfällt oder zumindest niedrigere Rendite hat als erwartet.

Beim Thema Inflation[+] wird außerdem nicht sauber dargestellt, dass Inflation[+] eine reale Entschuldung bewirkt, nicht aber eine nominale!

08:07: „... der Negativzins, ein Spezifikum der EZB[+].”

Das ist eine glatte Falschaussage. Ein Blick auf die Zinsen weltweit zeigt: die Schweizer Notenbank hat sie, die Japanische Notenbank und noch einige andere.

08:10: „Ich nehme dem Geldeigentümer jährlich Stück-für-Stück seine Substanz weg, und die kommt dann natürlich in die Bilanz der EZB[+], die sich riesenmäßig aufbläht. Das sind Grundrechtseingriffe, die 1. nur dem Gesetzgeber zu stehen, das ist gesichertes europäisches Recht[+], das gilt nach der Menschenrechtskonvention, das gilt nach der Grundrechtecharta, das gilt nach dem Grundgesetz, Grundrechtseingriffe entscheidet ausschließlich das Parlament. Die EZB[+] ist für ihre Stabilisierungsaufträge richterlich unabhängig, also gerade vom Gesetzgeber unabhängig, und jetzt nutzt sie diese Unabhängigkeit vom Gesetz, um das zu tun, was nur der Gesetzgeber darf.”

Richtig ist, dass sowohl negative Zinsen für Gläubiger und Eigentümer[+], als auch positive Zinsen für Schuldner und Besitzer[+] Grundrechtseingriffe darstellen, denn Artikel 14 schützt immer das Eigentum[+] beider Kontrahenten, sofern über es innerhalb bestimmter Grenzen verfügt wird. Die Eingriffe in die Privatautonomien[+] der Kontrahenten sind sowohl symmetrisch als auch asymmetrisch, vgl. Zinsvorzeichen und das Gleichgewicht der Bestimmung. Ich bin der Auffassung, dass der Mechanismus positiver Zinsen gegen Ende des kapitalistischen Prozesses mindestens als sittenwidrig eingestuft werden kann, wenn nicht als ein Verbrechen in der Größenordnung eines Genozids[+] (ja!) als Folge und Ausgang des innergesellschaftlichen Krieges der einen Klasse gegen die andere, woraus nach §§ 138 ff eine Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts[+] mit dem Geldverleih resultiert. Ich bin sicher, dass in diesem Sinn eine länger andauernde Negativzinsphase einen gewissen Ausgleich des entstandenen Schadens bewirken kann, wobei aufgrund der Wirkung der Zinsen verlorenes Lebensglück, zerbrochene Beziehungen und anderer Formen des Verlusts an Lebensqualität überwiegend zu den irreparablen, durch Geld nicht behebbaren, irreversiblen Schäden zählen! Die 15 Millionen armen Menschen in diesem Land, beispielsweise, haben laut dem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands eine um 11 Jahre verminderte Lebenserwartung, und dieses gestohlene, geraubte und erpresste Leben kann man ihnen am Ende nicht zurückgeben, egal wieviel Geld man ihnen zurückgibt[4].

09:36: „und jetzt weitet die EZB[+] ihre Kompetenz ihre Kompetenz aus. Sie ist nicht mehr Garant des Geldwertes, sondern sie wird zum Gegner des Geldwertes, weil sie einerseits das Bankensystem[+] völlig verändern will und schon verändert hat, weil sie aber vor allem die hochverschuldeten Staaten aus ihrem Dilemma herauszuführen sucht, aber nicht indem sie denen jetzt Druck macht, dass sie das System verbessert, sondern dass sie ihr immer mehr Kredite gibt und damit die Staatsverschuldung vermehrt.“

Bezugnehmend auf meine vorherigen Erklärungen zum Zusammenhang zwischen dem Zinsniveau[+] in der Endphase des kapitalistischen Prozesses und der Stabilität der Währung und der Rechtsordnung[+], ist eine Fortführung des Zinsnehmens nicht nur sittenwidrig, sondern stabilitätsgefährdend. Daher handelt die EZB[+] mit ihrer Geldpolitik[+] mitnichten außerhalb des Rahmens ihres Mandats, sondern präzise innerhalb, denn sollte das Währungssystem zusammenbrechen, weil positive Zinsen (analog Mietzinsen[+], Pachtzinsen[+], usw.) nicht mehr gezahlt werden können, werden die Preise nicht stabil gehalten werden können, sondern chaotisch und unvorhersehbar driften und springen, wie nach dem letzten Zusammenbruch durch den 2. Weltkrieg. Wie schon in der €-Krise betont, würde der Staatsbankrott der größten Schuldnerländer zu fatalen Verwerfungen mit nicht absehbaren Folgen führen. Die Anpassungforderung Kirchhofs[+] lässt mich außerdem an das sterbende Herrenmenschentum denken. Die Griechen nannten uns damals zurecht die „Zuchtmeister Europas”, weil im Gegenzug zur Gewährung von Krediten Reformen gefordert und also von außen in die Autonomie des griechischen Staates eingegriffen wurde.

Insbesondere muss nämlich gesagt sein, dass es in der terminalen Krise des Kapitalismus[+] mit mathematischer Gewissheit immer irgendeinen trifft, der dann die größten Schulden bekommt und hat. Dieser Unglückliche hat seine Situation jedoch in den seltensten Fällen selbst verschuldet. Stattdessen ist die Situation durch den Kapitalismus[+] erzeugt. Es ist fast zufällig, wen es am Ende erwischt. Wer sich ein wenig mit der Vermögensdynamik der positiven Zinsen auskennt, d* weiß zudem, dass Verlierer und Gewinner schon relativ früh feststehen, denn der Kapitalismus[+] verstärkt bestehende Ungleichgewichte. Wer also von vornherein absehbar einen schwereren Stand hat, bei de* ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er am Ende zu den Verlierern zählt. Dazu passend finden Ökonomen, dass Menschen, die im Kapitalismus[+] arm geboren werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch arm bleiben, und das gehört auch zum Thema „Finanzwertstabilität”.

10:30 „... die EZB[+] macht sich abhängig von den Staaten, [....] gefährdet ihre Unabhängigkeit und wirft ihre Handlungsinstrumente weg, denn wenn wir jetzt einer Inflation[+] entgegen gehen sollten, dann müsste die EZB[+] ja die Zinsen erhöhen, um zu bremsen, aber sie kann die Zinsen ja nicht mehr erhöhen, weil sie die Menschen an den Nullzins und die Zinssubvention gewöhnt hat.“.

Richtig ist, dass sich durch die Niedrigzinsen nicht nur öffentliche, sondern auch private Haushalte enorm verschuldet haben[2] und in Zahlungsschwierigkeiten kämen, würde die Zentralbank[+] „die Zügel wieder straffen” (widerliche Sprache übrigens, denn das Proletariat[+] ist kein Pferd!), die Zinsen wieder anheben und das Geld also wieder verknappen. Genau so ist damals die Immobilienkrise 2007/08 in den USA entstanden. Falsch ist jedoch, dass ein Anheben der Zinsen die einzige Möglichkeit[+] sei, der Inflation[+] Herr zu werden.

Ich kann nicht oft genug die orthodoxe[+] Inflationstheorie[+] wiederholen, nach der die Inflation[+] der Warenpreise Folge der Inflation[+] (Aufblähung) der Geldmenge[+] ist und dass sich in einem umlaufgesicherten Vollreservesystem[+] mit negativen Zinsen auf Guthaben und bei Krediten die Bilanzsumme[+] der Zentralbank[+] verkürzt, weil Guthaben in Schulden umverteilt werden und also die Geldmenge[+], die auf dem Markt in Abhängigkeit von der Sparquote[+] potenzielle Nachfrage repräsentiert, schrumpft, so dass die Inflation[+] negativ wird.

Wir sehen außerdem - nur scheinbar paradoxerweise -, dass die Sparquote[+] trotz der Negativzinsen steigt[1]. Das ist vielleicht dadurch zu erklären, dass die Leute nun meinen, dass sie mehr sparen müssen, um den Verlust durch die Negativzinsen auszugleichen. Wenn die Inflation[+] aber sogar negativ wird, wobei die durch die Negativzinsen verursachte Deflation von völlig anderer Natur ist als die Deflationstendenzen im €-Raum Anfang 2015 oder die Deflation in der Weimarer Republik[+], nämlich verursacht durch sinkende bis negative Fremdkapitalkostenanteile[+] (siehe Zusammensetzung von Preisen) und Zunahme der Konkurrenz in Richtung vollständiger Konkurrenz (Eintrag vom 02.12.2020), dann ist das Geld nicht nur stabil, sondern seine Kaufkraft steigt sogar. Allerdings kann man es eben nicht mehr festhalten, ohne dass es schwindet, siehe Begriff des "Schwundgeldes[+]". Es entsteht infolge der Negativzinsen also eine eigenartige Form der Geldwertstabilität, die sich auf fixe Geldbeträge, wie nominal feststehende Einkommen, also Tariflöhne, Renten und Pensionen, aber eben nicht auf Guthaben bezieht. Die Kaufkraft von feststehenden Arbeitseinkommen[+], Renten und Pensionen steigt jedenfalls, weil sowohl die Löhne steigen als auch die Lebenshaltungskosten (Mieten und Konsumpreise) sinken!

12:40 „Marktwirtschaftlich[+] kann das natürlich passieren, aber Marktwirtschaft[+] heißt, dass prinzipiell die Kräfte von Anbietern und Nachfragern den Preis bestimmen und hier bestimmt die Hoheitsmacht den Preis. Also Marktwirtschaft[+] ist ein Ausdruck der Eigentümerfreiheit[+], der Unternehmerfreiheit, der Berufsfreiheit. Wir agieren miteinander im wirtschaftlichen Bewusstsein, im Erwerbstreben ungestört von staatlichen Interventionen, und hier ist ja der Negativzins gerade eine staatliche intervention. Das ist nicht marktwirtschaftlich[+] entstanden, sondern das ist durch staatlichen Eingriff entstanden. Und ein Zweites kommt hinzu: wir haben hier ein Hoheitsorgan, die europäische Zentralbank[+]. Die soll für die Marktwirtschaft[+] als Geldwirtschaft, den Geldwert stabilisieren und sie destabilisiert den Geldwert, nicht? Also wir haben einmal eine Intervention durch Verfehlung des Auftrags und dann eine Intervention durch Wegnahme von Geld, und das ist das Gegenteil von Marktwirtschaft[+].”

Hier an dieser Stelle nun greift das zuvor über die Emergenz[+] des Zinses als Preis am Geldmarkt Gesagte. Der Preis wird vom Spiel von Angebot und Nachfrage bestimmt. Steigt das Angebot oder sinkt die Nachfrage, dann sinkt der Preis, so die Argumentation in der Begründung der These, dass sich der Zins am Markt bilde. Die Zentralbank[+] bildet mit ihrer Geldpolitik[+] das emergente[+] Zinsniveau[+] ab. Fakt ist, dass der Zins langfristig, wie oben erwähnt, in Zeiten[+] gesunken ist, in denen sich die Geldpolitik[+] in der Führung der Leitzinsen[+] über der Nullzinsgrenze (der Systemgrenze des Kapitalismus[+]) bewegte. Allein wenn man die Leitzinsführung[+] bei positivem Zins als staatsinterventionalistisch[+] auffasst, widerlegt sich Kirchhof[+] also selbst. Doch es kommt etwas sehr Bedeutsames hinzu.

Wie zuvor ausgeführt und hier genauer begründet, ist bei positivem Zins die Privatautonomie[+] der Leihnehmer aufgrund ihrer Eigentumslosigkeit[+] relativ zur Privatautonomie[+] der Leihgeber eingeschränkt. Man verbindet mit diesem Zustand dann das Attribut der 'Abhängigkeit', z.B. die Abhängigkeit von Mietwohnungen, weil man kein Eigentum[+] an Wohnraum hat (über 50% der Deutschen), die Lohnabhängigkeit (90% der Erwerbstätigen, in Deutschland 38 Millionen Menschen) und eben die Abhängigkeit von Krediten (2019 wurden rd. 2,9 Billionen € an Krediten an den Privatsektor vergeben[3]). Um aus dem Zustand der Abhängigkeit in die Unabhängigkeit und Freiheit[+] zu gelangen, braucht es in den meisten Fällen, jedenfalls bei Innovationen, deren Durchsetzung nicht warten kann, Kredite. Die Nachfrage nach Kredit oder anderen Besitzgütern[+] ist im Zustand der Abhängigkeit begründet, die mit der Knappheit korreliert, eines der zentralen Dogmen der Betriebswirtschaftslehre[+], und letztlich durch den Abfluss der Zinsen aus dem unteren Bereich der Einkommens- und Vermögenspyramide (Schichtmodell am 23.04.2021) und der damit einhergehenden Einschränkung der geldwerten Handlungsfreiheit[+], denn (Zins-) Schulden sind Handlungseinschränkungen. Es besteht also aufgrund des Milieus, das der positive Zins in der Klasse (in den Schichten) der NETTO-Zinsgeber (Gruppe der Besitzer[+] und Nutzer, Leihnehmer, Mieter, Pächter, Lizenznehmer und Schuldner) schafft, ein Vertragsabschlusszwang ähnlich einem Kontrahierungszwang[+], doch nicht eine obligatio ex lege, also ein gesetzlicher Vertragsabschlusszwang, sondern eine obligatio ex inopia, ein existenzieller Vertragsabschlusszwang, wobei die Not („inopia“) in der Abhängigkeit zugunsten der Vertragsabschlussfreiheit der NETTO-Zinsnehmer (Grupper der Eigentümer[+], Leihgeber, Vermieter, Grundherren, Rechteeigentümer[+] und Gläubiger) besteht, Verträge möglicherweise ungewollten Inhalts eingehen zu müssen. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass bei positivem Zins die Kreditnehmer (im Gegensatz zu den Sparern natürlich) den Vertrag freiwillig schließen, sondern sie tun es gezwungenermaßen, was dann die nach BGB §§ 138 ff ausgewiesenen Rechtsfolgen[+] nach sich ziehen kann, wenn das Geschäft rückwirkend angefochten wird, denn es heißt:

§ 138 BGB[+]
Sittenwidriges Rechtsgeschäft[+]; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft[+], das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft[+], durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage[+], der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen[+] oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Wenn jetzt die Zentralbank[+] mit ihrer Zinsführung das Gleichgewicht der Privatautonomien[+] der Kontrahenten am Geldmarkt auf die Seite der Leihnehmer verschiebt, dann muss die Legalität dieses Handelns grundsätzlich an der Legalität des umgekehrten Handelns gemessen werden - und zwar aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes[+]! Wenn, diesem Gedanken folgend, positive Zinsen legal sein sollen, dann sind es negative Zinsen ebenso, denn auch hier bildet die Zentralbank[+] den Markt korrekt ab, indem sie im Angesicht der hohen Staatsverschuldung, der großen inter- und innernationalen ökonomischen Ungleicheit und der faulen Kredite in den Bilanzen auf der Nachfrageseite (Abhängigkeit der Staaten von den Gläubigern und Käufern von Staatsanleihenpapieren[+]) einerseits und den obszönen Geldvermögen auf der Angebotsseite des Geldmarktes das Gleichgewicht des Marktes marginal (-0,5 % Einlagefazilität[+]) unter die Systemgrenze des Kapitalismus[+] schiebt. Am Ziel ist die Zentralbank[+] noch lange nicht, denn bisher fördert sie nur die Investitionstätigkeit. Das ursächliche Problem löst sich aber erst, wenn die Kreditzinsen negativ werden. Dass die langfristig zu erwartende Deflation nicht nur den Geldwert stabilisiert, sondern noch erhöht, habe ich bereits erläutert.

Falsche Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes

15:31 „Das ist ein zweites Problem, auch ein verfassungsrechtliches Problem, nämlich der Gleichheitssatz[+]. Die EZB[+] verhindert den Ertrag des Sparers und fördert den Ertrag der Aktionäre und der Fondeigentümer, also das heißt, sie schafft mit ihrer Lenkungsmacht, die auf Geldwertstabilität begrenzt sein soll von Rechts[+] wegen, schafft sie Ungleichheit. Und das erlebt zum Beispiel, um jetzt mal ein aktuelles, vom Sparer flankierendes Beispiel zu nennen, das erlebt derjenige, der eine Wohnung sucht. Er spart, also er lebt nicht von der Hand in den Mund, sondern er spart sein Geld für ein Großvorhaben, bis er mit Hilfe von Krediten die Chance sieht, sich ein Häuschen zu kaufen. Das ist individuell vernünftig[+], weil er seine Lebenssituation verbessert. Das ist staatspolitisch vernünftig[+], weil er ein sesshafter Bürger wird. Wenn ich hier sitze in meinem Haus, dann interessiert mich meine Nachbarschaft, dann interessiert mich die Ökologie hier, dann interessiert mich der äußere Frieden, dann in die Infrastruktur von Schulen und Verkaufsmöglichkeiten usw. Also das ist staatspolitisch vernünftig[+] und individuell vernünftig[+], und das kann er jetzt nicht mehr und zwar deshalb, weil er nicht sparen darf, also er darf es noch, aber es ist nicht mehr vernünftig[+], ... er kriegt keinen Ertrag mehr.“

Kirchhof[+] wendet hier den Gleichheitssatz[+] falsch an, indem er nur einen Teil der über den kritisierten Tatbestand (die Negativzins-Politik der EZB[+]) miteinander in Beziehung stehenden Gruppen miteinander im Hinblick auf ihre Gleichbehandlung vergleicht, aber eben nicht alle. Zum direkten Vergleich mit der Gruppe der Sparer gehören nämlich zuerst die Kreditnehmer, die von den sinkenden und gar negativen Zinsen begünstigt sind. Aber was hat denn der Kreditnehmer, wenn die Immobilienpreise so sind, für Vorteile von den niedrigen Zinsen, wenn das, was er damit kaufen will, so teuer geworden ist?

Richtig ist, dass die niedrigen bis negativen Zinsen den Konsum bis hin zum kreditfinanzierten Konsum beim Hauskauf und die Investition, hier die Beteiligung an Unternehmungen durch Aktienkauf, gegenüber dem Sparen begünstigen und dass dies zwar die Sparer in ihrer Rolle als Eigentümer[+] benachteiligt, doch eine andere Gruppe von Eigentümern[+], hier speziell die gegenwärtigen und die zukünftigen Immobilieneigentümer, begünstigt. Diese Begünstigung sieht man daran, dass zur Freude der Eigentümer[+] die Immobilienpreise steigen, so dass eben die Eigentumsfreiheit[+] nicht insgesamt geschwächt wird.

Doch findet die mutuale Benachteiligung und Bevorteilung nicht nur zwischen Gruppen statt, sondern auch in der Begünstigung einer Verhaltensweise eines Handelnden unter Benachteiligung einer anderen Verhaltensweise des selben Handelnden, so dass es nicht insgesamt zu einer Benachteiligung des so-oder-so Handelnden kommt, sondern nur zu einer Beeinflussung, deren Endergebnis keineswegs von vornherein feststeht. So bleibt den Sparern das Aktiensparen unbenommen, wobei natürlich zu sagen ist, dass die Anlage am Aktienmarkt eine andere Risikoaversion erfordert und aufgrund der leidlichen Erfahrung von Kleinanlegern (Telekom, Eurohyp,...) vor allem beim Zwanghaften[+] gefürchtet ist, denn wer weiß denn schon genau, wie sich Unternehmenswerte im Negativzinsumfeld entwickeln, Eintrag vom 02.12.2020? Ein Haus kaufen muss auch niemand sofort, vor allem kein Sparer, der ja später erst ein Haus kaufen will. Verschuldet man sich jedoch bei negativem Zins, wenn man sich dazu entschließt, das Haus sofort zu kaufen (vgl. Gesetzesvorschlag am 14.07.2021), dann wird man bei einem Vertrag mit der Möglichkeit[+] vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens bei weiter steigenden Negativzinsen bei Krediten in Zukunft die Restschuld unter Ausnutzung des Negativzinsesnegativzins-Effekts umschulden können.

Ein Wirtschaftssubjekt also, das sowohl Sparer als auch Kreditnehmer sein kann, ist weder durch positive Zinsen noch durch negative Zinsen insgesamt bevor- oder benachteiligt. Es wird ihm nur eben von den Leitenden des Geldsystems jeweils gegensätzliches Verhalten als vernünftig[+] ausgewiesen, wobei natürlich grundsätzlich zu fragen ist, ob denn die Vorratshaltung von Geld an sich unvernünftig[+] geworden ist, nur weil das Geld dabei gammelt. Würde man dies den Hamster oder das Eichhörnchen fragen, würden diese wohl die Frage allein schon als „verrückt” zurückweisen, denn in der Natur gammeln alle Vorräte, und trotzdem (oder gar deswegen?) haben die Tierchen bis heute überlebt, Einträge vom 11.05.2021 und 14.10.2019.

Ein drittes, sehr schwerwiegendes Arguement kommt hinzu, das leider nicht ganz so einfach nachvollzogen werden kann, weil dies die Kenntnis und Verständnis der Geldströme voraussetzt: So wie der positive Zins gar nicht alle Sparer begünstigt, sondern nur die Sparer, die im Schichtmodell zu den NETTO-Zinsnehmern zählen, während die übrigen Sparer sogar geschädigt werden, weil sie indirekt über Lebenshaltungskosten und Arbeitseinkommen[+] Zinsen zahlen, sind bei negativem Zins nicht alle Sparer benachteiligt. Nur die NETTO-Zinsnehmer des positiven Zinses unter den Sparern sind durch die Negativzinsen benachteiligt, während die übrigen Sparer, die Teil der Gruppe der NETTO-Zinsgeber bei positivem Zins sind, durch wegen der Negativzins-Ökonomie[+] sinkende Lebenshaltungskosten, sinkende Steuern und steigende Löhne begünstigt sind. Ich erläutere das in meinem Video über die Verteilung von geldwerten Freiheiten und Zwängen als Funktion von Höhe und Vorzeichen der Zinsen. Eine andere Darstellung dieses Faktum lässt sich durch zins-logische Umkehr aus dem folgenden Video gewinnen.

Ab Zeitindex[+] 3:22 geht es um den Einfluss der positiven Zinsen auf die Vermögensentwicklung. Auch an dieser Grafik zur Entwicklung von Vermögen von Frick und Grabka[2009, 10] (DIW[+]) ist zusammen mit dem Zinsverlauf im abgebildeten Zeitraum[+] erkennbar, dass nur noch das reichste Dezil der Vermögensverteilung vom positiven Zins profitiert, während alle anderen, allen voran der Mittelstand[+], verlieren! Das Video geht mutmaßlich zurück auf die Arbeiten[+] von Helmut Creutz.

Fingierte Bedrohung der Familie, der Freiheit und des Eigentums

16:55 „Er nimmt Substanzverluste hin und gleichzeitig werden die Geldmengen[+], die die EZB[+] monatlich, 20 Milliarden €, auf den Markt geworfen. Die kommen beim Finanzmarkt an, nicht beim kleinen Sparer. Da werden die vorbei geleitet, und deswegen haben wir jetzt, Sie haben es vorhin schon erwähnt, bei dem Immobilienmarkt diese hohe Nachfrage der künstlich erhöhten Kaufkraft. Das sind die Gelder der EZB[+], [die] werden dort eingesetzt. Und plötzlich kostet das Grundstück mit dem Häuschen nicht mehr 300.000, sondern 1 Million. Und dann ist der Normalverdiener in Deutschland, Mann und Frau und ein Kind, und alle strebsam und verdienen gut, und können sich dieses Häuschen in dem Ballungsgebiet, wo sie leben und wo sie arbeiten, nicht mehr kaufen. Das ist ein dramatischer Befund, der auf diese umverteilende Wirkung der EZB[+] zurück geht. [...] Sie [die EZB[+]] ist nicht der Anwalt..., sie ist der Anwalt jedes Geldeigentümers, nicht? Aber die Wirkungen, die sie gegenwärtig erzielt, sind diese, und deswegen müssen wir diese Entwicklung auch gleichheitsrechtlich kritisieren und wenn das jetzt sich so weiterentwickelt, ist es auch wichtig etwa für die Familien, denn bei der normalen Familie ist das wesentliche Familiengut das Elternhaus, und das wird am Ende von den Eltern unentgeltlich auf die Kinder vererbt, und das ist das Haus, wo man, auch wenn die kinder schon 30 und 40 und 50 jahre sind, sich noch trifft, also das ist sozusagen der räumliche Mittelpunkt[+] der ... noch der Großfamilie, die in aller Welt verstreut ist, verbleibt. All das wird hier gefährdet. Das sind nicht Randerscheinungen, ob der Sparer 3% oder 2 % oder -0,5 % bekommt, sondern das in Strukturfragen einer freiheitlichen Gesellschaft, die Berufsfreiheit hat, Eigentümerfreiheit[+] hat, Uunternehmerfreiheit hat, Familienfreiheit hat, und in alle diese Freiheiten[+] spielt das hinein.”

Die erste Frage, die ich zur Einordnung von Kirchhofs[+] Aussagen stellen würde lautet: Warum hat die EZB[+] ihr QE[+]/OMT-Programm[+] initiiert? Dies hatte mutmaßlich (denn wer kennt schon die genauen Motive, und es sind nicht Einzelne, die die Geldpolitik[+] bestimmen, sondern Geldpolitik[+] wird im aus den Entsandten der nationalen Notenbanken zusammengesetzten EZB-Rat gemacht), vor allem zwei Gründe:

Die Umschuldung auf niedrigere Zinsen, die aufgrund des QE[+]/OMT-Programms[+] stattgefunden hat, hat die Nationalstaaten der € Zone also überhaupt erst wieder in die Lage versetzt, ihrem Auftrag gerecht werden zu können, denn die EZB[+] hat ihnen die Zinslast abgenommen, wodurch für andere Staatsausgaben als der Schuldendienst Geld übrig blieb. Das auf diese Weise in den Finanzmarkt gepumpte Geld bewirkte ein Anwachsen[+] des Angebots auf dem Geldmarkt und also ein Absinken der Zinsen, von dem man sich zurecht erhoffte, dass die verminderte Zinslast auch die Unternehmenstätigkeit beflügeln würde. Bis vor dem Ausbruch der Corona[+]-Pandemie haben die Staaten also keine neuen Schulden aufgenommen, sondern Schulden mit hoher Zinslast gegen Schulden mit niedriger bis negativer Zinslast (negative Anleihenrenditen[+]) umgetauscht. Dadurch entgingen natürlich den Käufern der Anleihen[+] die Zinsen. Es kam zu einem „Zinsschnitt”.

Szene aus der Nibelungensage: Siegfried tötet den Drachen. Statt einer Pickelhaube hätten Andere Mario Draghi[+] lieber ein Schwert schenken soll - und einen Drachenkopf.

Wie jedenfalls auch die Ehrung von Mario Draghi[+] ausweist[5], hat das QE[+]/OMT-Programm[+] der EZB[+] die Handlungsfähigkeit der Staaten bewahrt und deren Kollaps verhindert, wodurch es in der Rückschau als notwendig einzuordnen ist. Dass es dabei bei den Beziehern leistungsloser Einkommen zu Einbußen kam, müsste nicht weiter entschuldigt werden, würde nicht entgegen der Tatsache, dass Rentner trotz, wahrscheinlicher aber wegen, privater Vorsorge auf der Grundlage positiver Zinsen arm sind, ständig weiter behauptet, positive Zinsen dienten der Altersabsicherung!

Doch Kirchhof[+] begründet die Notwendigkeit[+] positiver Zinsen mit dem Schutz der Kernfamilie, malt dazu das Bild der Welt der Wirtschaftswunderjahre unter Ludwig Erhard nach und offenbart damit unter Missachtung der gegenwärtigen Situation der Familien seine mangelnde Gegenwartsfähigkeit. Jedes 5. Kind in Deutschland wächst[+] in Armut auf[4]! Erst um 2010 beginnen die Scheidungen wieder zu sinken und nehmen die Eheschließungen wieder zu[7], doch es werden immer noch systematisch zu wenig Kinder geboren[8], was das seit Adenauer etablierte Umlagesystem der Rente nun kollabieren lässt[9]. Die Vermögensverteilung hat durch 70 Jahre Kapitalismus[+] unterdessen wieder obszöne Ausmaße angenommen[6]. Die Menschen dieses Landes werden weniger, sollen immer höhere Staatsschulden buckeln, denn Steuererhöhungen oder gar Vermögenssteuern wie die Negativzinsen will der Professor nicht haben, sondern weiter von Fleißig nach Reich umverteilen. Das ist eine Rechnung, die nicht aufgehen kann. Wenn da keine Menschen mehr sind, die sich in einem Familienhaus versammeln können, weil sie gar nicht erst geboren wurden, weil das Land zu familiengründungs- und familienfeindlich ist, dann nützt selbst das Haus nicht, das jetzt mit einem Negativzinskredit gekauft werden könnte.

20:09 „Also es mag sein, da habe ich persönlich keine Daten, dass langfristig wir eine Tendenz haben zu immer geringeren Zinsen. Aber dann darf doch die EZB[+] diese Entwicklung, die das arbeitende Kapital verändert, nicht noch verstärken durch einen hoheitlich erzwungenen Negativzins, nicht, sondern dann müsste sie eher gegensteuern, aber nicht verstärken, nicht?“

Die Zentralbank[+] harmonisiert und koordiniert mit ihrer Geldpolitik[+] das Zinsniveau[+] im Währungsraum, bietet in ihrer Vorwärtsführung („Forward guidance”) den Händlern an den Geldmärkten Orientierung und stellt auf diese Weise eine gewisse Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Entwicklungen her. Wie oben bereits erörtert, ist das gegenwärtige Zinsniveau[+] das Ergebnis des Zinsnehmens der Vergangenheit.

Bei Forward guidance handelt sich um eine Kommunikationspolitik, bei der die Zentralbank[+] dem Markt die eigenen Erwartungen und Prognosen, sowie mögliche Handlungsoptionen offenlegt. Dadurch sollen die Markterwartungen über die künftige Zinsentwicklung beeinflusst werden. Die Effektivität dieses Instrumentes hängt davon ab, inwiefern es der Zentralbank[+] gelingt, die eigenen Erwartungen und Handlungsintentionen glaubwürdig zu kommunizieren. Die Forward guidance gehört zur sogenannten unkonventionellen Geldpolitik[+]. Das heißt, sie wird in Situationen eingesetzt, in denen es die klassische Geldpolitik[+] nicht mehr schafft, bestimmte Kerngrößen wie die Inflation[+] zu steuern. Dies gilt zum Beispiel in einer Liquiditätsfalle[+], oder wenn die Zinsen an die 0%-Grenze für nominale Zinssätze stoßen. In solchen Fällen kann die Forward guidance neben Quantitativer Lockerung oder Negativzinsen eingesetzt werden. Man unterscheidet zwei Arten der Forward guidance: die explizite und die implizite (eng. odyssean and delphian) Form. Explizite Forward guidance bezeichnet die direkte Kommunikation von Erwartungen und Prognosen sowie den sich daraus ergebenden zukünftigen geldpolitischen[+] Handlungen der Zentralbank[+]. Implizite Forward guidance bezeichnet eine Kommunikationspolitik, bei der die Notenbank versucht, dem Markt durch kohärentes und vorhersehbares Verhalten Signale über eigene Prognosen und zukünftige geldpolitische[+] Maßnahmen zu senden. Explizite Forward guidance wird von den großen Zentralbanken[+] der Welt eingesetzt: der Europäischen Zentralbank[+], der Federal Reserve, der Bank[+] of England und der Bank[+] of Japan.
Quelle: Wikipedia zu Forward guidance. Referenzen auf Belege entfernt.

Die EZB[+] bildet die Situation auf dem Geldmarkt ab und ermöglicht, dass die Zinsen unter die Systemgrenze des Kapitalismus[+] fallen, damit sich die Schulden auflösen können. Denn man kann angesichts der hohen Verschuldung im öffentlichen Sektor einerseits und den hochkonzentrierten Geldvermögen im privaten Sektor andererseits nicht davon ausgehen, dass es freiwillig zu einem Ausgleich der staats-, demokratie- und ordnungsgefährdenden Ungleichheiten und Spannungen kommt. Die Geldpolitik[+] hält sich also strikt an das Gebot der Sicherstellung von Preisstabilität (freie Verhandlung über den Vertragsinhalt!), die ja ein Gradmesser für die Stabilität der Rechtsordnung[+] selbst ist.

20:35 „Und dann der Zwang[+], nicht ... oder dass... nicht der Zwang[+], aber das Bedrängen in die Aktie zu gehen, ist eben etwas substanziell Anderes. Ob die Eltern ihren Kindern ein Haus vererben oder ein Aktienpaket, ist nicht dasselbe. Ob die Eltern ihren Kindern begegnen in dem Haus, in dem sie groß geworden sind, oder bei der Bank[+] beim ... im selben Depot, ist eine andere Welt, [...] also wir müssen die Individualität und Subjektivität der Freiheitswahrnehmung[+] respektieren, nicht, und da spielt eben der Wille zum eigenen Haus eine besondere Rolle, wenn wir mal in unsere deutsche Geschichte schauen... 1949, alle Häuser waren zerstört, alle Fabriken waren zerstört, und jetzt kam der Wiederaufbau [er lebt anscheinend in der Vergangenheit], nicht, da hat man ... Ludwig Erhard ... 1949 angefangen, marktwirtschaftliche[+] Systeme einzuführen. Natürlich hat man Wohnungswirtschaft gebraucht, damit jeder ein Dach überm Kopf hat, aber strukturell hat man eine, das wurden belächelt, Eigenheimideologie betrieben, jeder möge sein Eigenheim in Deutschland haben. Das war staatspolitisch, das war freiheitspolitisch, das war familienpolitisch eine sehr kluge Maßnahme. Und wir sind heute nicht in dieser Not. Also wir haben ja viel Kapital, wir haben vielleicht eine Fehlverteilung des Kapitals, nicht, wir haben große Ressourcen des erneuerbaren Wohnraums, nicht aber wenn jetzt die Menschen die 40, 50, 60 Jahre lang in einer schönen Gegend in einer Großstadt gelebt haben, jetzt verdrängt werden, weil das Haus saniert wird und dann die Eigentumswohnungen[+] so teuer sind, dass derjenige, der bisher dort lebte, das nicht mehr kaufen kann. Das ist eine Strukturentwicklung, die muss besorgniserregend sein und darüber müssen wir sprechen. Und dann brauchen wir die Debatte in den Parlamenten. Ich sage auch, wir brauchen die Debatte auch über die Finanzierung, nicht? Wenn wir monatlich sagen 20 Milliarden, ... und sagen, das ist eine Summe,... die stelle ich ... da kann mir eine Million vorstellen, auf 5 Millionen, aber 20 Milliarden, da blende ich mich aus. Da findet keine Diskussion mehr statt. Wir reden heute bei Europa von zwei Billionen, nicht, und deswegen müssen wir auch das gegenständlich übersetzen. 2 Milliarden, das sind, ich wohne in Heidelberg Ziegelhausen, das ist die Summe, für die man alle Wohngrundstücke, wenn [man die] in Heidelberg Ziegelhausen kaufen kann, wenn ein Grundstück durchschnittlich eine Million kostet. 20 Milliarden sind alle Wohnstücke der Stadt Heidelberg, kann ich dann kaufen. 200 Milliarden, dann bin ich bald bei allen Wohnstücken von Baden-Württemberg, 2 Billionen, [da] kaufe [ich] die Republik, ... “

Hier kommt relativ deutlich zum Vorschein, dass Kirchhof[+] in seiner Weltwahrnehmung in Erinnerungen an die Nachkriegszeit schwelgt. Das mag persönliche Gründe haben, z.B., weil er vom Wirtschaftswunder profitierte. Doch kann sich dieses Wunder heute bei positivem Zins nicht wiederholen, weil wir heute eine völlig andere Ausgangslage haben. In der Nachkriegszeit war die Vermögensverteilung im Vergleich zur heutigen flacher und gleicher. Die Löhne hatten einen höheren Anteil am Volkseinkommen. Die Einkommen, die damals das Eigentum[+] bot, waren nur für sehr wenige Menschen so hoch, dass sie allein davon leben konnten. Heute ist das Eigentum[+] sehr viel ungleicher verteilt, so dass mittlerweile ein Teil der Bevölkerung mithilfe ihres Eigentums[+] an Leih- und Produktionskapital relativ leistungslos, auf Kosten des größeren, nur besitzenden, anderen Teils (allen voran die Gruppe der Mieter) lebt. Die Volkswirtschaft bietet das Bild eines inneren Beherrschungs- und Ausbeutungsverhältnisses der einen Klasse durch die andere.

Es folgen schwindelerregende Zahlen zu Immobilienpreisen. Ich sehe da einen Zauberlehrling[+] in Paul Kirchhof[+], Eintrag vom 10.04.2018. Er scheint nicht verstanden zu haben, wie sich solch hohe Geldbeträge aufgrund des Zinsmechanismus' entwickelt haben konnten. Sie wurden von der Kultur im Ausbeutungsverhältnis „erbrütet” und stellen jetzt für die sentimentale Eigenheim-Utopie der Nachkriegsjahre eine Bedrohung dar. Kirchhof[+] erkennt zwar die Gefahr der obszönen Situation für das Gerechtigkeitsempfinden und das Vertrauen in das System, hätte darüber auch gerne eine Debatte, doch wirklich auseinandersetzen will er sich mit den Ursachen[+] dieser Entwicklung nicht.

[...] ... 20:32 „So müssen wir diskutieren und nicht in dieser Abstraktionsebene des Unvorstellbaren diese Fragen debattieren. Und da gibt es faktische Verschiedenheiten von Geld und Geld ist Wohlbehagen, Geld ist Sicherheit, Geld ist auch Macht, nicht, und deren Verteilung müssen wir parlamentarisch zuteilen [also doch Zentralverwaltungswirtschaft[+]?] und nicht durch die EZB[+]. Noch ein Wort zur Alterssicherung. Natürlich sorgt der Sparer für sein Alter, weil er Kapital bildet. Und wenn er sich jetzt ein Haus kauft, dann weiß er, er hat zu Hause einen Wohnsitz, den kann man nicht kündigen, weil er der Eigentümer[+] ist. Das ist ein anderer Wert, als wenn er Aktien hat. Er weiß auch, dass dieser Eigentumswert[+] eigenes Haus bleibt, weil das rare Gut Grundstück nicht vermehrbar ist. Ob der Wert [von] Aktien bleibt, steht dahin. Wir haben nur durch 15 Jahres-Bilanzen, da steigen die, aber sind auch mal gewaltig gesunken, nicht, dass ... und er sagt, das ist alles Arbeitseinkommen[+], das ist nicht Spielgeld, sondern das ist Arbeitsgeld[+]. Das will ich nach meiner Perspektive für mein Alter sicher anlegen. Dann ist das eine vernünftige[+] Entscheidung. Wenn dann die EZB[+] sagt, wir brauchen Investitionen und nicht Sparer, [dann] ist das eine ökonomische Nebelbombe, denn wenn der Sparer spart, [dann] gibt er's seiner Bank[+], und die legt es ja nicht in'n Tresor still, sondern die arbeitet doch mit dem Geld, die investiert das Geld. Also Sparen heißt, ich ersetze die Investition des Laien durch die Investition des Bankers[+], des Spezialisten. Das ist auch wiederum volkswirtschaftlich erwünscht, also die große These „ihr müsst mehr investieren, statt zu sparen“ ist nicht zu Ende gedacht.“

Kirchhof[+] kann sich offenbar nicht mit den Folgen seiner Ideologie abfinden und läuft daher Gefahr, den Bezug zur Realität zu verlieren, wenn er den Zustand der Gegenwart nicht auf seine Ursache[+]Eigentum[+], Zins und eingehaltene Verträge” zurückführen kann. Man muss ihn nämlich schon fragen, von wem die Superreichen denn eigentlich die Zinsen bekommen sollen und wie dann die über das Geldsystem verschleierte, anonyme monetäre Monarchie, die daraus entsteht, mit den Errungenschaften der Aufklärung vereinbar ist. Er sollte besser erst seine eigene Ideologie zu Ende denken, bevor er andere dazu auffordert. Vielleicht kommt er ja dann irgendwann in der Realität der Gegenwart an, von wegen „Nebelbombe“!

Verteilung geldwerter Freiheiten[+] (Guthaben) und Zwänge[+] (Schulden) als Funktion von Höhe und Vorzeichen der Zinsen.

Kommt der Crash?

26:12 „In der tat müssen wir definieren, wohin dieser Abwärtsweg führt. Also wir sprechen jetzt in dem Kreditprogramm von zwei Billionen,... sind wir schon überschritten, wir sprechen im Wiederaufbauprogramm von fast zwei Billionen. Wir sprechen beim „Green-Deal“ von zwei Billionen, und wir sprechen bei der europäischen Digitalisierung von nochmal zwei Billionen. Über die Finanzierung wird nicht gesprochen. Das soll dann kreditfinanziert werden. Wir müssen jetzt im Generationenvertrag[+], wir die Elterngeneration, fragen, was wir unseren Kindern antun. Entweder müssen diese Kinder diese vielen Billionen irgendwann auch mit Zins und Zinseszins wieder zurückzahlen. Da werden die sich sehr schwer tun, weil sie sehr viel weniger sind,... sein werden der Zahl nach als die jetzige Generation, nicht, zudem die jetzige Generation länger leben wird, glücklicherweise, aber aufgrund von teurer Medizin, die auch bezahlt werden muss. Also wir muten ihnen eine wirtschaftliche Unmöglichkeit zu oder: wir lassen das ganze System auffliegen, ... Währungsschnitt, also Geld ist nichts mehr wert. Das trifft gerade die Deutschen, die zwei mal einen großen Währungsschnitt gehabt haben, den sie politisch nicht verkraftet haben, schwerer,... trifft alle schwer. Und zugleich die jungen Menschen erleben: das Recht[+] gilt nicht mehr. Ein Darlehensvertrag wird nicht mehr erfüllt. Wenn wir im Wirtschaftssystem nicht mehr sicher sind, dass die Verträge erfüllt werden, dann ist dieses Wirtschaftssystem am Ende, nicht? Also wir haben eine Alternative. Hier das Dilemma: Instabilität von Geld und Recht[+] oder dort das Dilemma: totale Überforderung der nächsten Generation mit Rückzahlungsverpflichtungen. Eine dritte Lösung gibt es nicht und deswegen kann dieses bequeme Wort 'weiter so, wird schon gut gehen',... kann nicht gelten. Wir müssen eine Debatte entfachen, die bewusst macht, welche Risiken wir eingehen. Wir müssen klarmachen, dass wir unser Verhalten verändern müssen, das, ... dann wird es nicht für jeden besser, sondern vorübergehend schlechter, langfristig besser, aber vorübergehend schlechter, aber das ... wir leben zur Zeit[+] über unsere Verhältnisse, ... weit über unsere Verhältnisse und schieben die Lasten an die nächste Generation weiter.“

Mit welcher Rechtfertigung[+] sollen zukünftige Generationen Staatsschulden mit Zins und Zinseszins, statt mit Negativzins und Negativzinsesnegativzins zurückzahlen, die dadurch entstehen, dass vorherige Generationen die Bewältigung ihrer Probleme durch Aufnahme neuer Schulden in die Zukunft, auf die Schultern kommender Generationen verschoben haben? Geht es denn noch? Einziger Hoffungsschimmer ist die fett markierte Stelle, in der er zumindest „Instabilität von Geld und Recht[+]“ als Alternative ausweist, aber leider nicht sagt, ob er damit die Negativzinsen meint. Vielleicht sollte ich doch das Buch kaufen und lesen.

Zur Missachtung der Stabilitätskriterien

29:35 „Also ich sag jetzt mal sehr in der Perspektive des Rechts[+]. Wir leben in extremem Unrecht. Also Deutschland, deutsche Verfassung sagt: keine Neuverschuldung mehr, also Pandemie, Naturkatastrophen sind Ausnahmen, aber für die Normallage: keine Neuverschuldung mehr. Die europäischen Verträge sagen: Obergrenze der Verschuldung 60 % des Bruttoinlandsprodukts[+] für jedes Jahr. Frankreich liegt bei über 110, Italien liegt über 150, Spanien liegt über 200, Tendenz steigend. Da können wir jetzt nicht sagen: „also ab morgen wieder 60 %”. Das ist schlechthin nicht darstellbar, nicht? Wenn wir soweit in der ... uns in den Wald verirrt haben, [dann] können wir nicht mit einem Sprung in die Lichtung des Rechts[+] zurückspringen, nicht? Und deswegen ist entscheidend der Wendepunkt, die Umkehr: ab heute keine Neuverschuldung mehr, keinen € Neuverschuldung ab morgen, das heißt: der nächste Haushalt. Ersichtliche Rückkehr zum Recht[+] nicht mehr 205 % BIP[+], sondern 200 %. Das ist noch weit in der Illegalität, aber die Tendenz: wir gehen wieder zurück zum Recht[+]. Das Recht[+] ist ja nicht vom Himmel gefallen. Das haben ja die Rechtssetzer[+], die Mitgliedstaaten oder bei uns die verfassungsgebenden Menschen sich wohl überlegt, warum sie das tun, weil das eben ein fairer Ausgleich ist. Im Generationenvertrag[+] war das ein Stabilisator des Geldes ist, damit Bedingung unserer Geldwirtschaft und: weil es individuelles Geldeigentum schützt und dieses große Gefälle 'Wertsteigerung beim Grundstück' und 'Verlust beim Geldwert' eben nicht mehr stattfinden soll. Der Wendepunkt ist der zentrale Auftrag.“

Kirchhof[+] selbst registriert ja nun, dass ein Zustand des Unrechts entstanden ist, obwohl bis in unsere Zeit[+] im Geldverkehr größtenteils Gesetze und Verträge eingehalten worden sind. Er kommt aber nicht auf die Idee, dafür den Fehler in der bestehenden Rechtsordnung[+] und speziell im Kausalnexus[+] der Geldwirtschaft zu suchen, sondern wendet sich stattdessen gegen die Lösung des Problems. Das Wort 'Umkehr' ist übrigens auch ein eschatologischer[+] Begriff, den ich als moderner Christ als eine Abkehr vom Prinzip der positiven und eine Zuwendung an das Prinzip negativer Zinsen auffasse, Bruder Kirchhof[+]! Vielleicht bekehrt er sich ja, wenn er das Wasser verlassen hat, in dem er schwimmt.

[Wie ist ausgerechnet jetzt der Wendepunkt zu schaffen? Wo spare ich ein?] 32:01 „Also zunächst einmal: unserer Wirtschaft geht erstaunlich gut nach der Pandemie, ... ist eine unglaubliche Herausforderung, und, wenn wir jetzt, nur jetzt auf die Gegenwart, schon - sensationell - wieder funktioniert.

... ob die schnelle Erholung und die Robustheit der Unternehmen, die niedrigen Arbeitslosenzahlen[+] und die verhältsnismäßig geringe Volatilität der Börsenwerte mit dem Zinsumfeld zu tun haben könnte, fragt sich Kirchhof[+] leider nicht.

Austerität als Lösung

Aber wir müssen wieder zurückkehren zu den alten Regeln, weswegen bei uns Demokratie erkämpft worden ist, nämlich die ist erkämpft worden, um die Verschuldungspolitik des Fürsten, um die Steuerpolitik des Fürsten und die Ausgabenpolitik des Fürsten im Sinne des Staatsvolkes zu begrenzen. So hat das angefangen, also: strukturell, der Staat hat selbst kein Unternehmen, also er hat ein Hofbräuhaus, aber aber er finanziert sich nicht aus Unternehmen, nicht? Das heißt, der Kredit bei dem Staat ist etwas ganz anderes als beim Unternehmer. Wenn der Unternehmer Kredit aufnimmt, kauft er sich neue Arbeitnehmer[+], kauft sich neue Maschinen, kauft sich Patente und kann deswegen mehr produzieren, hat'n besseren Gewinn und zahlt aus dem Gewinn den Kredit. Das kann der Staat nicht. Selbst wenn er in Universitäten investieren will, ist das für unsere Bildung, unsere Forschung gut, aber der Staat bekommt deswegen kein Geld. Also er kann es nur aus Steuererträgen finanzieren. Und je mehr er sich jetzt verschuldet, desto weniger hat er [der Zinslasten auf die Staatschulden wegen] für die Gegenwart an Steuererträgen, und zu diesem System müssen wir zurückkehren. Und wenn wir das jetzt täten, also ich gehe jetzt nicht den Haushalt durch, und wenn das der Gewinner der jetzigen Wahlen dann tun wird, wird er immer Gegner haben, wenn ich jemandem sage: „Du kriegst nicht mehr 100, sondern 80”, dann ist er empört. Dann ist der auf 80, nicht. Also, das ist nicht die Lösung. Aber wir müssen eine Haushaltspolitik machen, und wir haben ja Spielräume. Wir haben sogar Ertragszuwächse wieder bei den Steuern, nicht, wo man sehr gediegen umsteuern kann. Und wir waren ja in Deutschland,... war ja 1900, ... äh 2019 auf 59 % [Staatsverschuldung relativ zum BIP[+]], also war europarechtlich in der Legalität, und die Schuldenbremse[+] „Ihr dürft Euch nicht neu verschulden!“ hat ja für den Bund 2016 gegriffen, wie es das Grundgesetz sagt, und 2020 für die Länder, ... dann kam die Pandemie, nicht, da steht eine Ausnahme ausdrücklich drin., das 's alles legal, nicht? Also wir sind nahe in der Legalität, und wir müssen jetzt auch schauen in dem Prinzip der Finanzautonomie der Mitgliedstaaten, dass wir dieser Stabilitätsanker 'Stabilität im Geld' und 'im Recht[+]' bleiben, denn das braucht die Union und jeder gute Europäer, und ich bin ein glühender Europäer, kämpft dafür, dass diese Prinzipien in der Europäischen Union wirksam werden. Wir haben gemeinsam die Gemeinschaft der sparsamen Vier. Da sollte die Bundesrepublik der fünfte werden, dann sind, ... ist schon mal in dieser Europäischen Union von 19 Staaten,... ist schon mal ein Nukleus, wo man sagt: jetzt wird wieder für Gediegenheit, für eine seriöse Finanzpolitik gearbeitet. Und dann wird man alle Haushaltspositionen durchforsten können. Ich könnte ihnen, das würde ich aber jetzt nicht tun, weil's ja alles sehr sorgfältig bedacht werden muss, Positionen nennen, wo durch Verzicht auf die Zahlung das Leben und die Wirtschaft sich verbessert. Denn wir finanzieren auch Fehlstrukturen, wir erhalten Unternehmen, die keine Zukunft haben, die besser heute umgewandelt [?] werden, als morgen. Wir haben auch manche Besitzstände[+] und Bequemlichkeiten finanziert. Wenn wir dort abbauen oder ziemlich bald auf null kämen, wäre es jetzt ungeachtet des wirtschaftlichen, haushaltswirtschaftlichen Erfolges ein großer Vorzug für das ganze System. Also da würde derjenige, der unbefangen und mit Fachkenntnis an den Bundes- und an die Länderhaushalte heranginge, sehr Vieles entdecken, was dieses Gemeinwesen voran bringen wird.“

Hat Kirchhof[+] die Trennung von Kapital und Staat infolge der Revolutionen der Aufklärung verstanden? Wie kann er sich auf den Kampf gegen den Fürsten berufen, wenn doch der Fürst heute gar nicht mehr im Staat sitzt, sondern im Privatsektor? Kirchhofs[+] Position erscheint liberal[+] bis libertär. Es sind in seiner Rede außerdem sozialdarwinistische Ambitionen, Intentionen und Motive erkennbar. Es kann eine gewisse Skrupellosigkeit erahnt werden, denn scheinbar bedenkenlos kommt ihm der Teilsatz über die Lippen „kauft er sich neue Arbeitnehmer[+]“, als sei Arbeitskraft[+] frei verfügbar, als könnten Menschen unter Missachtung ihrer Privatautonomie[+] unter Verletzung ihres Vertrauens in die Rechtsordnung[+] und gegen ihren Willen einfach benutzt werden, weil sie „auf dem Markt” sind.

Gut ist wenigstens, dass er die fehlende Gewinnerzielungsabsicht beim Staat betont. Der Staat investiert zwar in Bildung und Forschung, weil er sich dann von den so Gebildeten und Wissenden in Zukunft die Zahlung von Steuern erhofft, doch ist dieses Handeln eben nicht direkt gewinnorientiert, sondern zunächst einmal reine Hingabe mit der Hoffnung auf eine Auszahlung in der Zukunft. Die Allgemeinheit finanziert und erschafft durch Forschungs- und Bildungsförderung nutzenträchtiges Handlungspotenzial ohne dafür im Gegenzug von den Begünstigten, den Studenten und Schülern, eine Erfüllung dieser Erwartungen zu fordern. Das kann in der den Gewinn anstrebenden und absichernden Privatwirtschaft nicht funktionieren.

Das weitere Gespräch macht Aussagen zu Bereichen, die etwas weiter vom Zinsmechanismus entfernt liegen.

Ein bisschen Spaß muss sein!

Fazit

Kirchhof[+] ist geistig und emotional scheinbar verhaftet in der Nachkriegszeit Ludwig Erhards. Das konservative[+] Familienbild und seine Eigenheim-Ideologie hat einen geradezu rührenden, sentimentalen Charakter. Die Familie soll behütet und geschützt werden. Auf der anderen Seite schreckt Kirchhof[+] nicht vor brutaler Austerität[+] durch Haushaltsstreichungen zurück, die er als „gediegen” ansieht und offenbart ein skrupelloses, ans Sadistische grenzendes Herrenmenschentum. Seine Analyse ist einseitig, sie enthält Falschbehauptungen und große Lücken, wie z.B. die Klärung der Frage, wie die Zinsen entstehen und wer sie zahlt. Auch und gerade sein Freiheitsbegriff[+] ist einseitig, denn es müssen immer die Freiheitsrechte[+] beider Vertragsparteien gewahrt sein. Eine Partei kann nicht dadurch Vorrang haben, dass sie das betragsmäßig größere Eigentum[+] vorzuweisen hat. Es ist traurig, dass ein Mensch, der einen so verantwortungsvollen Beruf hat, so verantwortungslos redet. Wie würde er wohl reagien, würde man ihn mit den grausamen Fakten konfrontieren? Könnte er das überhaupt aushalten?

Der Kapitalismus[+] ist ein Lehrer. Kirchhofs[+] Lösung ist die Austerität[+]. Unter welchen Bedingungen könnte Kirchhofs[+] Vorgehensweise erfolgreich oder wenigstens grundrechtsverträglich sein? Ich habe vor einiger Zeit[+] grob untersucht, wie sich das im Kapitalismus[+] ankonditionierte Verhalten im „ökonomischen Jenseits” auswirken wird, siehe Zinsvorzeichen und Verhalten. Ich kann hier ruhigen Gewissens sagen: Durch den Übergang zu einer Negativzins-Ökonomie[+] kann die Kirchhof[+]'sche Austerität[+] möglich werden, ohne dass es zu Verletzungen der innerhalb der Daseinsvorsorge gewährten sozialen Grundrechte im Hinblick auf Artikel 20 kommt, weil das Steueraufkommen massiv steigen wird und das Geldsystem für den Ausgleich der ökonomischen Ungleichheit sorgt.

Bei nicht-negativem Zins (Nullzins oder positiver Zins) halte ich Kirchhofs[+] Verfahren jedoch für gemeingefährlich und absolut undurchführbar, denn es würde den öffentlichen Sektor in einen Nachtwächterstaat[+] und den Privatsektor in eine Art moderne Monarchie überführen mit wohlmöglich nie dagewesenen feudal[+]-ähnlichen Ausbeutungsformen. Wir sehen Ansätze dieser feudalen[+] Formen bereits heute in der Privatisierung der Arbeitsvermittlung[+] durch Zeit[+]- und Leiharbeitsfirmen aufgrund der Agenda 2010 Gerhard Schröders und Joschka Fischers und darin, dass Arbeitende[+] aufgrund der hohen Mieten Wohnungen auf dem Gelände ihrer Betriebe beziehen, Miete an den Vorgesetzten (den Feudalherren[+]) zahlen und beginnen, wie die Knechte und Mägde des Altertums zu leben. Außerdem vertrauen manche Frauen zur Sicherstellung ihrer Karrieremöglichkeiten ihre Fortpflanzungsmöglichkeiten der Firma an, indem sie sich die Eizellen entnehmen und einlagern lassen. „Social Freezing” heißt das. Es ist mir ein Rätsel, wie Soziologen diese Entwicklung so lange verborgen bleiben konnte.

Zum Schluss wähle ich zum Wachwerden etwas drastische Worte, denn es geht hier nicht um wenig! Der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes 2018 berichtet, dass die 15 Millionen Armen, die weniger als 60 % des Medianeinkommens haben, eine um 11 Jahre verminderte Lebenserwartung haben. Geht man von einer Lebenserwartung von etwa 88 Jahren aus, sterben also im Verlauf eines Menschenlebens etwa 1,875 Millionen Menschen an der Armut. Wenn der Mechanismus des positiven Zinses in allen seinen Formen, also Geldzins, Mietzins[+], Pachtzins[+], Lizenz-, Leih- und Nutzungsgebühren, ... aber die wesentliche Ursache[+] für die Armut ist, dann ist eine Aufforderung zum Anheben der Zinsen über null wenigstens demagogisch[+], wenn nicht gar ein Aufruf zum Mord, denn die Entstehung und Verfestigung der Armut durch den Zinsmechanismus ist nachvollziehbar, sodass Vorsatz unterstellt werden kann! Das sollte trotz der drastischen Formulierung jede* zu denken geben und Ansporn sein, sich mit den Kausalnexūs der positiven und negativen Zinsen auseinanderzusetzen!

Ende der Bezahlwand

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Querverweise auf 'Paul Kirchhofs YouTube-Beitrag zu den Negativzinsen bei Mission Money'

Tim Deutschmann

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